Historische Persönlichkeiten
Ernst August Charbonnier
Der Gärtner Ernst August Charbonnier (1677-1747) trat 1717 die Nachfolge seines Vaters als kurfürstlicher Gartenbaumeister in Herrenhausen an.
Ernst August Charbonnier (1677-1747) gehörte zu einer Gartenkünstler-Familie, die vermutlich aus Frankreich zugewandert war. Schon sein Vater Martin (1655-1720) arbeitete für die Gärten von Herzog Ernst-August und Herzogin Sophie von Hannover, als diese das Fürstbistum in Osnabrück verwalteten. 1713 entwarf er die Pläne zum Französischen Garten in Celle und trat 1717 die Nachfolge seines Vaters als kurfürstlicher Gartenbaumeister in Herrenhausen an. 1720 legte er für den Oberkammerherrn Ernst August von Platen den Garten am Schloss Miontbrillant an und schuf 1726/27 die Herrenhäuser Allee aus 1.300 Linden als sichtbare Verbindung zwischen dem in der Stadt Hannover gelegenen Leineschloss und der Sommerresidenz in den Herrenhäuser Gärten. Auch die Allee im Berggarten wurde von ihm angelegt. 1747 übernahm sein Sohn Matthias (1709-1750) seine Ämter.
Nach Ideen von Fürstin Sophie wurde zunächst einmal die überkommene Anlage komplettiert, so durch die Aufstellung zusätzlicher Skulpturen oder durch die Einrichtung des alsbald berühmten Gartentheaters (1689-1693). Auch bemühte man sich immer wieder freilich mit geringem Erfolg um die Verbesserung der Wasserspiele. Da das Schloß den wachsenden gesellschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügte, wurde von 1694 bis 1700 neben ihm das sogenannte »Galeriegebäude« errichtet, ein von Wohnpavillons flankierter Festsaal, der bis zum Bau der »Neuen Orangerie« (1720-1723) zugleich als Winterquartier für die Kübelgewächse diente.
1695 hatte Martin Charbonnier noch einmal die Oranier-Residenzen in Holland besucht. Ein Jahr danach begann unter seiner Leitung die vierte und letzte Ausbauphase in Herrenhausen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit der Vollendung des »Großen Gartens« ihren Abschluß fand.
Nun wurde dem vorhandenen, orthogonal gegliederten Areal (mit seinen neu gestalteten Parterres und Heckenbosketts) der annähernd gleich große, aber gänzlich anders gestaltete und genutzte »Nouveau Jardin« angefügt. Diese beiden, jeweils annähernd quadratischen Teile bilden seither ein etwa 50 ha großes Rechteck, das von einem breiten, am Ende der Zentralachse (die sich hier zu einem ovalen Platz weitet) apsidenförmig ausgebuchteten Graben (der sogenannten »Graft«) und von rahmenden Alleezügen eingefaßt ist. Zwei 1708 nach Entwürfen von Louis Remy de la Fosse errichtete Rundpavillons markieren seine südlichen Eckpunkte.
Als die Kurfürstin Sophie am 8. Juni 1714 in ihrem geliebten Garten starb, dürfte er so ausgesehen haben, wie ihn die meisten Pläne und Ansichten des frühen 18. Jahrhunderts zeigen. Man erkennt auf ihnen die dreiflügelige Schloßanlage mit dem nördlich vorgelagerten »Cour d'honneur« Halbrund und den seitlich der Galerieflügel gelegenen Kompartimenten: im Westen hinter der »Haute Cascade« den »Jardin prive« der Kurfürstin und im Osten hinter und neben der Grotte einen »Jardin a melons et fruits«. Noch weiter westlich liegt das Galeriegebäude mit dem Orangeriegarten, dem sich nach Süden, in axialer Ausrichtung, das Gartentheater anschließt. Weitere Heckenbosketts mit Salons und Cabinets, zwei Quinconces und vier aus den ehemaligen Fischteichen entstandene Bassins umfassen den Parterrebereich. Seine vier inneren Felder, die mit einer zentralen Fontäne eine Gesamtfigur bilden, erscheinen auf fast alle Plänen und Abbildungen als »Parterres ä l'Angloise«, das heißt als durch Zierwege ornamental gegliederte, von »Platebandes Coupees en Compartiments« gerahmte Rasen stücke. Die vier äußeren Felder sind von ebensolchen Bordüren eingefaßt, aber entsprechend dem damals üblichen Kompositionsprinzip einer nach außen (mit zunehmender Entfernung von Schloß und Mittelachse) abnehmenden Ausstattung und Ornamentierung ungegliedert.
Den »Noveau Jardin« teilt ein Alleekreuz, in dessen Zentrum die große Fontäne aufsteigt, in vier quadratische Areale, die mit Sternanlagen besetzt sind. Ihre Mittelpunkte, Rundplätze mit achteckigen Fontänenbassins, ordnen sich wiederum im Quadrat um die große Fontäne. Die durch dieses Gliederungssystem bedingten dreieckigen Kompartimente (»Triangeln«) enthielten mit wenigen Ausnahmen regelmäßige Obstbaumpflanzungen.
Der Große Garten zu Herrenhausen gehört zu den wenigen Barockanlagen, die in ihren wesentlichen Zügen erhalten geblieben sind. Ein Vergleich seiner ursprünglichen, durch zahlreiche Quellen belegten Gestaltung und Ausstattung zeigt jedoch, daß man bei den umfassenden, außerordentlich verdienstvollen Restaurierungen der Jahre 1936/37 und 1960 bis 1966 nicht überall den historischen Vorgaben gefolgt ist. Das gilt vor allem für die Bepflanzung der »Triangeln« im »Noveau Jardin« oder für die Gestaltung der Parterres.
(Quelle: Dieter Hennebo, in: Die Gartenkunst des Abendlandes)