Wissenschaftler des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover haben gemeinsam mit Mitarbeitern vom Institut für Biowissenschaften der Universität Aarhus in Dänemark und dem schwedischen Naturkundemuseum Stockholm Beobachtungsflüge über der westlichen Ostsee, der Beltsee und dem Kattegat durchgeführt. Ziel war es, die Verbreitung und Häufigkeit der in diesen Gewässern lebenden Schweinswale (Phocoena phocoena) zu dokumentieren. Die Finanzierung des Projekts MiniSCANS II verteilt sich auf die drei beteiligten Länder. Den deutschen Anteil übernimmt das Bundesamt für Naturschutz (BfN).
Der Schweinswal ist laut TiHo die einzige Walart, die durchgehend in den Gewässern der Nord- und Ostsee anzutreffen ist. In der Ostsee leben zwei unterschiedliche Populationen: Eine Schweinswalpopulation hält sich vorwiegend in der westlichen Ostsee, der Beltsee und dem Kattegat auf. Die zweite Population lebt in der östlicheren, inneren Ostsee.
Die Populationen unterscheiden sich sowohl genetisch als auch in ihrer Bestandsgröße. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2016 beläuft sich die Population in der westlichen Ostsee laut TiHo auf 42.000 Tiere. Im Gegensatz dazu ist die Population in der inneren Ostsee viel kleiner und umfasst wahrscheinlich weniger als 500 Schweinswale, sodass sie von der Weltnaturschutzunion, International Union for Conservation (IUCN), als "vom Aussterben bedroht" eingestuft wird. Nun sollen die neuen Daten Gewissheit über den Bestand in der westlichen Ostsee bringen. Denn bei den jüngsten Beobachtungsflügen zählten die Forscher nur die Tiere in diesem Gebiet, also den vermeintlich größeren Bestand.
Schweinswale sind laut TiHo besonders anfällig für vom Menschen verursachte Störungen wie Unterwasserlärm und Meeresverschmutzung. Die größte Bedrohung für Schweinswale in der Ostsee sind jedoch Fischernetze, in denen die Tiere als Beifang enden können. Da sie als Säugetiere darauf angewiesen sind, regelmäßig zum Atmen aufzutauchen, kommt es vor, dass sie ersticken, wenn sie sich in einem Fischernetz verfangen.
Für einen wirksamen Schutz ist eine genaue und zuverlässige Schätzung der Populationsgröße erforderlich. Nur so könne laut TiHo beispielsweise geprüft werden, ob bestimmte Fangmethoden verboten werden müssten. Die Erfassung der Schweinswale sei dabei jedoch recht schwierig, da es sich um kleine, hochmobile Meeressäugetiere handele. Deshalb zählen die Forscher die Tiere aus der Luft. Sie legen dafür im Vorfeld auf den Meereskarten Linien, sogenannte Transekte, fest und fliegen diese systematisch ab.
Das Untersuchungsgebiet umfasste 43.000 Quadratkilometer, die für die Zählung in zehn Gebiete unterteilt wurden. Diese zehn Gebiete haben die Wissenschaftler an zehn Flugtagen abgeflogen. Die Erfassungen haben Ende Juni begonnen und wurden Mitte Juli abgeschlossen. Nun beginnt das Auswerten der Daten.
Deutschland ist wie alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Schutzgüter – in diesem Fall den Schweinswal – zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten. Deshalb werden die Ergebnisse des MiniSCANS II-Projekts auch dafür genutzt, den Berichtspflichten für die Richtlinien der Europäischen Union, der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), nachzukommen.
Im Jahr 2012 erfassten Forscher im Projekt MiniSCANS I bereits dasselbe Gebiet, um die Schweinswale zu zählen. Für das Projekt "SCANS-III – Verbreitung und Populationsgröße von Walen im europäischen Atlantik" zählten sie im Jahr 2016 zudem Wale, Delfine und Schweinswale im europäischen Atlantik, also einem viel größeren Gebiet. Ziel war es, eine Aussage über die Größe der Populationen und die Verbreitung der Tiere treffen zu können. Insgesamt ermittelten sie damals etwa 1,5 Millionen Tiere.
(Veröffentlicht: 28. Juli 2020)