Die Leibniz Universität und TÜV NORD erforschen gemeinsam abhörsichere Satelliten-Kommunikation und setzen bei ihrer Kooperation auf quantenmechanische Verfahren zur Entwicklung eines neuen Sicherheitsstandards.
Persönliche Daten werden ständig digital übertragen – ob beim Einloggen in einen Social Media-Account, beim Überweisen per Online-Banking, beim Telefonieren mit dem Smartphone oder Festnetzanschluss. Um die Privatsphäre von Nutzern, aber auch von Behörden und Unternehmen vor kriminellen Zugriffen auf Passwörter, E-Mail-Adressen und andere Daten zu schützen, forschen Wissenschaftler an neuen, abhörsicheren Verschlüsselungsmethoden.
Forschungskooperation
Denn mit dem Aufkommen der Quantencomputer, die über deutlich höhere Datenverarbeitungsraten verfügen als klassische Computersysteme, werden die derzeit verwendeten digitalen Chiffrierverfahren entschlüsselbar und sind absehbar nicht mehr sicher. Das Institut für Photonik (IOP) der Leibniz Universität Hannover und ALTER TECHNOLOGY, ein Unternehmen der TÜV NORD GROUP, haben eine Forschungskooperation beschlossen, um diese Sicherheitslücke zu schließen.
Post-Quantum-Kryptographie
Dr. Dirk Stenkamp, Vorstandsvorsitzender der TÜV NORD GROUP: „Unsere Tochter TÜViT befasst sich bereits intensiv mit der Post-Quantum-Kryptographie und treibt Zertifizierungs- und Standardisierungsaktivitäten für Quantenanwendungen voran. Die quantensichere Übertragung großer Datenmengen via Satellit ist eine Schlüsseltechnologie, um Technologiesprünge wie das autonome Fahren flächendeckend umsetzen zu können.“
QKD – Quantum Key Distribution
Gemeinsam wollen TÜV NORD und die Leibniz Universität eine hochintegrierte Quantenlichtquelle mit einem neuen Protokoll für die Erzeugung und den Austausch von sog. Quantenschlüsseln entwickeln (QKD – Quantum Key Distribution). Das Verfahren nutzt die Quantenphänomene der sog. Superposition und Verschränkung, um kryptografische Schlüssel zwischen Sender und Empfänger zu teilen. Mit der neuen Technologie soll künftig eine abhörsichere Satellitenkommunikation mit einer Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern möglich werden. Gemeinsam wollen die Partner in dieser Zeit einen funktionsfähigen QKD-Demonstrator bauen.
Unterstützung durch TÜV NORD
Die TÜV Nord-Vereine TÜV NORD e.V. und TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e.V., zwei Gesellschafter des TÜV NORD Konzerns, unterstützen das Projekt über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren mit einer jährlichen Zuwendung von 100.000 Euro. Der Vorsitzende des Vorstands der TÜV Nord-Vereine, Dr. Guido Rettig: „Wir investieren gezielt in innovative Projekte und fördern damit die Sicherheit für Mensch und Technik. Das Vorhaben mit der Leibniz Universität Hannover zu einer abhörsicheren Satelliten-Kommunikation ist dafür beispielhaft.“
Quantenlichtquellen als Grundlage
Die Grundlage für das QKD-Verfahren bilden sogenannte Quantenlichtquellen, die „verschränkte“ Photonenpaare emittieren können. Die Erforschung solcher Photonenpaare wurde 2022 mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigt. Die Quantenlichtquelle kann zum Aufbau einer abhörsicheren Kommunikationsstrecke genutzt werden: Sobald ein Lauscher versucht, die mittels QKD geschützte Verbindung abzuhören, wird dies aufgrund der „Verschränkung“ der verwendeten Quantenschlüssel erkannt. „Derzeit gibt es keine stabilen effizienten und integrierten Lichtquellen mit fortschrittlichen Protokollen hierfür“, sagt Prof. Dr. Michael Kues, Leiter des Instituts für Photonik (IOP) und Vorstand im Exzellenzcluster PhoenixD an der Leibniz Universität Hannover.
Einfache Massenproduktion als Ziel
Diese Einschätzung teilt auch Una Marvet, Head of Photonics Design Centre ALTER TECHNOLOGY: „Derzeit verfügbare Quantenlichtquellen sind zu empfindlich, groß und nicht skalierbar. Durch die gemeinsame Entwicklung einer vollkommen integrierten Lichtquelle im Rahmen eines neuartigen Protokolls versprechen wir uns eine höhere Stabilität und Effizienz sowie die Möglichkeit einer einfacheren Massenproduktion zu erreichen.“
Wissens- und Technologietransfer
Doch bis dahin müssten die Forschenden noch zahlreiche Fragen klären. „Um unser Ziel zu erreichen, haben wir mehrere Punkte in Bezug auf Wärmeübertragung, Filterplatzierung und Kopplungseffizienz ermittelt, die im Rahmen des Projekts behandelt werden sollen“, sagt Muhamed Sewidan, der als Doktorand an dem Forschungsprojekt beteiligt ist. „Eine wichtige Aufgabe von Universitäten ist der Wissens- und Technologietransfer“, sagt Kues und betont: „Mit solchen Kooperationsprojekten bekommen Doktoranden Einblick in die industrielle Fertigung und können damit neue Ansätze in der Forschung verfolgen.“
Doktorand Sewidan wird im Laserlabor am Institut für Photonik (IOP) der Leibniz Universität die Experimente zum Design der Lichtquelle durchführen und seine Forschung an den ALTER TECHNOLOGY-Standorten Sevilla und Glasgow fortführen. Das Unternehmen übernimmt sodann die Produktentwicklung.
Videos
Leibniz Universität auf wissen.hannover.de
Videos der Leibniz Universität Hannover auf der Mediathek der Initiative Wissenschaft Hannover.