Begründung der Jury
Seit seinem Debütbuch „Weiß ich“ (1995) ist der lyrische Desillusionierungskünstler Ulrich Koch der verlässlichste poetische Chronist eines melancholischen Daseins in der Provinz. Gegen die Heilsversprechen der Philosophie und der Religionen setzt er seine Bestandaufnahmen eines von Utopien entleerten Alltags, in dem immer neu ein Grund für die eigene Existenz gefunden werden muss.
Seine Gedichte, die in mittlerweile elf Bänden vorliegen, führen uns auf die erdabgewandte Seite der Geschichte – hin zur kleinen Welt der Buswartehäuschen, Pendlerzüge, Turnhallen, Baggerseen und zum „Nachtlicht der Telefonzelle in der leeren Ortsmitte“. An welchem Punkt auch immer diese Gedichte unsere Lebenswelt berühren, es wanken immer gleich die Fundamente des Daseins. Plötzlich tut sich ein Riss auf in der Welt und die Protagonisten der Gedichte taumeln ins Unheimliche.
In seinen meisterhaften Gedichtbänden „Selbst in hoher Auflösung“ (2017) und „Dies ist nur der Auszug aus einem viel kürzeren Text“ (2021) hat sich nun das fatalistische Weltgefühl seines illusionslosen Ich noch weiter radikalisiert. In seinem schwarzen Existenzialismus, dem reichlich Galgenhumor beigemengt ist, konfrontiert uns Ulrich Koch mit den Selbstwidersprüchen, mit denen wir durch unser Dasein gehen. Seine Gedichte sind das, was übrig bleibt, wenn die Einsamkeit die Regie übernimmt und das Ich sich selbst weg kürzt: „Als ich mich durchgestrichen hatte,/ blieb das Gedicht übrig.“