Neues Rathaus Hannover

Heinrich Tramm

Er ist der Erbauer des Rathauses: Heinrich Tramm, Stadtdirektor von 1891 bis 1918, hat das Mammutprojekt initiiert und gegen vielerlei Widerstände durchgesetzt.  

Heinrich Tramm

Was für eine außergewöhnliche Persönlichkeit, was für ein Autokrat: Geboren wurde er 1854 in Hannover als Sohn des 1861 im Alter von nur 42 Jahren verstorbenen Hofbaumeisters Christian Heinrich Tramm. Der hatte sein bedeutendstes Werk, das neue Welfenschloss (heute Universität) an der Herrenhäuser Allee nicht mehr vollenden können. Und es mag kein Zufall sein, dass der Sohn etwa ein halbes Jahrhundert später mit dem Bau des Neuen Rathauses sein eigenes, ein bürgerliches Stadtschloss errichtete.

Rechts- und Staatswissenschaften hat er studiert – damals eine Voraussetzung für eine leitende Tätigkeit in der Kommunalverwaltung. 1883 wurde er erstmals in den hannoverschen Magistrat, 1885 für die Nationalliberalen als jüngstes Mitglied ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Mit den Welfen hatte er nicht mehr viel im Sinn. Die Statuen ihrer Herrscher verbannte er an die Rathaus-Südwand. Das war einerseits unverfänglich in der nunmehr preußischen Haupt- und Residenzstadt, trug ihm andererseits immer wieder Kritik aus der immer noch beträchtlichen Anhängerschaft des angestammten Königshauses ein.

Nun war er seit 1891 der ungekrönte „König von Hannover“, unangefochten die Nummer eins im Rathaus. Seine in seine Amtszeit fiel das stürmische Wachstum Hannovers zu einer Metropole in der Mitte des Reichs. Zehn bisher selbstständige Nachbardörfer wurden in zwei Schritten 1891 und 1907 in die Stadt eingemeindet. In der Ära Tramm entstanden neben dem Rathaus zahlreiche neue Schulen und Krankenhäuser, das Goseriedebad, die Markthalle und als Schlusspunkt die 1914 am Vorabend des Ersten Weltkriegs eingeweihte Stadthalle. Vom „roten“ Linden wollte er allerdings nichts wissen. Den Zusammenschluss mit der direkt benachbarten Industriestadt mit ihrem hohen Arbeiteranteil wusste er bis zum Schluss seiner Amtszeit zu verhindern. Tramm war eben auch, wie man heute sagen würde, ein „Rechter“. Er war dem 1891 gegründeten nationalistischen Alldeutschen Verband und später als führendes Mitglied der noch 1917 ins Leben gerufenen Deutschen Vaterlandspartei. Deren Ziele waren die Erzwingung eines Siegfriedens und die Annexion weiter Teile Frankreichs und Belgiens.

Dazu ist es nicht gekommen. Die Niederlage Deutschlands und die Abdankung des Kaisers im November 1918 setzten der Ära Tramm ein unerwartetes Ende. Er räumte eilig seinen Schreibtisch und beantragte in einem auf den 8. November datierten Schreiben von Berlin aus seine Pensionierung. Er habe seine Stadt im Stich gelassen, sagten sogar Freunde. Aber andere verteidigten ihn: Jeder könne einmal die Nerven verlieren.

Das war das zunächst unrühmliche Ende einer laut damaliger Kommunalverfassung lebenslangen Amtszeit, aber noch nicht das Ende der kommunalpolitischen Karriere des Heinrich Tramm. Der Ex-Stadtdirektor hatte mit seinem Rücktritt den Weg für einen gewaltfreien Übergang in die Weimarer Republik freigemacht, aber nun betrat er erneut die politische Bühne. Bei den Kommunalwahlen am 22. Februar 1919 wurde er auf einer eigenen Liste ins Bürgervorsteherkollegium gewählt. Dort organisierte er maßgeblich den Zusammenschluss der bürgerlichen Kräfte zum „Ordnungsblock“. Auf dessen Konto gingen unter Tramms Regie  die Zermürbungstaktik gegenüber dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Robert Leinert und die Wahl des Konservativen Arthur Menge zu dessen Nachfolger 1925. Politisch engagierte sich Tramm außerdem als Mitglied im hannoverschen Proviziallandtag und im Preußischen Staatsrat.

Was wenige wissen: Tramm hatte 1899 in zweiter Ehe die am Hoftheater engagierte jüdische Sängerin Olga Polna geheiratet. Sie hatte sich vor der Trauung taufen lassen und überlebte ihren Mann um vier Jahre. Heinrich Tramm starb 1932 hochgeehrt: die Hannoveraner hatten ihn schon 1916 zum Ehrenbürger gemacht und 1917 den Platz vor „seinem“ Neuen Rathaus nach ihm benannt. nach einer großen Trauerfeier in der Kuppelhalle wurde er zu seinem Ehrengrab auf dem Engesohder Friedhof überführt. Die Büste Tramms befindet sich heute im Kaminzimmer des Rathauses.


Texte mit freundlicher Genehmigung von Michael Krische.