Die denkmalgeschützte Brunnenanlage mit dem zur Nachtruhe blasenden Turmwächter steht auf dem Lindener Marktplatz im Stadtteil Linden-Mitte und wurde im September 1896 eingeweiht. Eigentlich sollte die mannshohe Bronzefigur mit Laterne, Hund, Horn und Hellebarde auf dem Holzmarkt in der Altstadt von Hannover aufgestellt werden. Doch dann kam alles ganz anders – zum Glück für die Lindener!
Lieber Schmied statt Turmwächter
Begonnen hat alles im Jahr 1895 mit einem Wettbewerb für einen Brunnen, den Oskar Winter zum 100-jährigen Firmenjubiläum seiner Eisenwarenhandlung am Holzmarkt errichten lassen wollte. Über die 35 eingereichten Entwürfe konnte in einer Ausstellung im Kestner-Museum abgestimmt werden, das Rennen machte schließlich der nach seinem Stifter benannte Oskar-Winter-Brunnen. Doch der großzügige Gönner entschied sich nicht wie erwartet für das vom Berliner Bildhauer Hans Dammann (1857 bis 1942) entworfene Modell "Der Thürmer" (der wohl an den früheren Turmwächter der Marktkirche in der Altstadt von Hannover erinnern sollte), sondern für eine Brunnenfigur des hannoverschen Bildhauers Karl Gundelach, die ihn als Schmied mit Bart und Hermesstab als Symbol für Handel und Wirtschaft darstellte. Daraufhin entschied der Magistrat der damals noch selbständigen Industriestadt Linden, den Hannoveranern ihren Nachtwächter einfach abzukaufen und ihn auf den eigenen neuen Brunnen auf dem erst zwei Jahre zuvor gebauten Lindener Marktplatz zu setzen.
Der Turmwächter wird kurzerhand zum Nachtwächter ernannt
Für den Ankauf spendete der damalige Lindener Senator Heinrich Stephanus 5.000 Reichsmark aus der eigenen Tasche und warb bei der Lindener Bürgerschaft und ortsansässigen Firmen weitere 16.000 Reichsmark ein. Doch bevor der Marktplatz-Brunnen mit seiner frisch erworbenen Figur am 20. September 1896 mit einer feierlichen Zeremonie eingeweiht werden konnte, bedurfte es noch einer winzigen "Korrektur", wie das Internetportal "Lebensraum Linden" verrät: "Weil allerdings ein Türmer in Linden keinerlei Tradition vorzuweisen hatte, wurde die Figur kurzerhand in einen Nachtwächter umfunktioniert. Das war eine preisgünstige Lösung; denn der ursprüngliche Entwurf musste nicht allzu sehr überarbeitet werden. Kritische Stimmen, die einen Nachtwächter als Symbolfigur für altbacken hielten und Linden lieber einen moderneren Imageträger verpasst hätten, konnten sich damit nicht durchsetzen."
Der Wächter der Stadt kommt viel rum
In einem hannoverschen Stadtführer aus dem Jahre 1909 wird der "höchst originelle und reizvolle Marktbrunnen" der Lindener wie folgt beschrieben: "In einem Becken aus grauem Granit erhebt sich eine gedrungene gotische Säule aus rotem Granit; auf dieser steht, den wachsamen Hund zu seinen Füßen, der Wächter der Stadt, breitbeinig und hochgereckt, ein Urbild selbstbewussten, auf sich selbst gestellten Bürgertums, in der Rechten das Horn zum Hineinblasen ansetzend, die Linke erhoben, den Spieß und die Laterne haltend. Als Wasserspeier sind an dem Säulensockel vier den Buckel krümmende Katzen und vier Fledermäuse angebracht." Damals stand der Brunnen noch an der Schwalenberger Straße und der Nachtwächter blies sein Horn in Richtung Posthornstraße. 1914 wurde die Anlage um einige Meter versetzt und die Figur um 90 Grad gedreht, sodass der Nachtwächter nun mit dem Rücken direkt vor dem neuen Rathaus am Lindener Marktplatz stand.
Während des Zweiten Weltkrieges ließ man die bronzene Brunnenfigur abbauen, sie sollte im Zuge der "Ablieferungspflicht" in Hamburg für militärische Zwecke eingeschmolzen werden. Nach Kriegsende kehrte nur die Nachtwächter-Statue unbeschadet nach Hannover zurück – der Sockel hingegen war zerstört und die ehemals am Brunnen angebrachten Symbole für die Nacht (vier Katzen und Fledermäuse) waren verloren gegangen.
Neuer Standpunkt auf Gutenbergs Sockel
Auch die vom Bildhauer Carl Dopmeyer entworfene Bronzeplastik von Johannes Gutenberg auf dem ehemaligen Ebhardt-Brunnen vor dem Neuen Rathaus fiel der militärischen Materialsammlung zum Opfer. Als sie 1949 stark beschädigt ebenfalls nach Hannover zurückkehrte, wurde sie aufgearbeitet und bekam einen neuen Platz auf einem gemauerten Sockel am Stammhaus der Geschäftsbücherfabrik J.C. König & Ebhardt an der Ecke Schloßwender Straße/Nienburger Straße gegenüber vom Königsworther Platz.
In der Folge wurde der Brunnensockel am Neuen Rathaus von Hannover nicht mehr benötigt und fand nun auf dem Lindener Marktplatz eine neue Verwendung für den Nachtwächter, der am 25. Mai 1950 am alten Platz wieder aufgestellt wurde. Heute erinnern nur noch die vier Löcher, an denen ursprünglich das Schild mit einer Widmung von Heinrich Ebhardt befestigt war, daran, dass auf diesem Sockel einst die Gutenberg-Figur stand.