Hannovers erste Markthalle: Gold, Marmor und ein Wasserdruck-Aufzug
Am 18. Oktober 1892 ging die erste Markthalle in Hannover nach nur zwei Jahren Bauzeit feierlich in Betrieb. Der hannoversche Architekt und Stadtinspektor Paul Rowald hatte das architektonische Schmuckstück mit Spitzdach und dekorativen Ecktürmen nach dem Vorbild der eindrucksvollen "Galerie des Machines" entworfen, die 1889 auf der Weltausstellung in Paris zu sehen war.
Kein Platz mehr für Handkarren und Pferdewagen
Zum Ende des 19. Jahrhunderts karrten die Bauern auf dem Lande Obst, Gemüse, Fleisch und Wurst mühsam in die Stadt und verkauften dieses dann auf öffentlichen Marktplätzen wie etwa auf dem Altstädter Marktplatz an der Marktkirche. Bereits 1875 war Hannover eine Großstadt mit rund 100.000 Einwohnern, und diese Zahl erhöhte sich rasant mit jedem Jahr. Gleiches galt für die Zahl der Markthändler: "Damals drängten sich an Markttagen, immer dienstags und samstags, von der Steintorstraße bis zum Aegi und rund um die Marktkirche über 2200 Verkäufer. Hunderte von Bauernfahrzeugen, Leiterwagen und Zugtieren verstopften die Straßen. Allein in der Osterstraße parkten 314 Fahrzeuge. Fleisch- und Wurstwaren litten unter den Witterungsverhältnissen. Die Folgen: atemberaubender Gestank und Chaos – an Lebensmittelkontrollen war nicht zu denken! Bürgereingaben und ein Schreiben der ‚Königlichen Polizeidirektion’ im Jahre 1888, in dem ‚unhaltbare Verkehrsstörungen an den Markttagen’ beklagt wurden, veranlassten schon sechs Wochen später die Stadt, den Bau einer Markthalle zu beschließen." (aus: markthalle-in-hannover.de).
Damals gehörte zur Markthalle auch ein Hühnerstall
Hannovers erste städtische Markthalle war seinerzeit der größte Stahl- und Glasbau des damaligen deutschen Kaiserreichs mit einer Länge von 84 Metern, einer Breite von 48 Metern und einer Höhe von etwa 20 Metern. Die Kosten dafür beliefen sich auf 1.730.398 Mark inklusive Grundstücke und von der Stadt eingebrachter Flächen – darunter auch das ehemalige "Kramer Amtshaus" in der Leinstraße 20 und einige ansehnliche Bürgerhäuser in der Köbelingerstraße, die für den Bau niedergerissen wurden. Auf rund 4.000 Quadratmetern boten zu Beginn 243 Händler ihre Waren feil, die bis 1929 auch auf den Gleisen der hannoverschen Straßenbahnbetriebe Üstra an der Südseite der Markthalle angeliefert wurden. Wie das Markthallen-Magazin "Gourmet Guide" in seiner 6. Auflage 2019/2020 schreibt, gehörten damals zur Markthalle noch einige Nebengebäude wie ein Wirtschaftsgebäude (132,50 Quadratmeter), ein Abortsgebäude (50,62 Quadratmeter), ein Pissoir (10,81 Quadratmeter) und – heute undenkbar – ein fast zwölf Quadratmeter großer, zweigeschossiger Hühnerstall.
Gold, Marmor und ein Wasserdruck-Aufzug
Wie es im Innern des prachtvollen und überdachten Marktplatzes im Herzen von Hannover einst aussah und zuging, das beschreibt sehr anschaulich der kurze geschichtliche Rückblick auf der Webseite der heutigen Markthalle: "Der [...] große Jugendstilbau aus buntem Glas und Eisen war außen reich verziert und in Rotbraun und Gelb – mit einem Schuss Gold – gestrichen, innen in kräftigem Blau, das sich frisch von dem weiß gefliesten Fußboden abhob. Modernste technische Errungenschaften hielten Einzug: elektrische Lichter und Uhren sowie ein Wasserdruck-Fahrstuhl, der vom Keller bis zur Galerie fuhr. [...] Der Mittelgang war so breit, dass Fuhrwerke und Karren durchfahren konnten, um die Stände zu beliefern. Das Knallen mit der Peitsche war aber laut Marktordnung verboten!"
Virtueller Wiederaufbau auf Youtube
Alte Pracht, eingebettet in ein modernes Stadtumfeld: Die Alte Markthalle in Hannover existiert seit 2011 als 3-D-Film. Auf Anregung des Vereins für hannoversche Stadtbaukultur hat ein Ausbildungsteam der Firma Virtual Pix eine dreidimensionale Rekonstruktion des Prachtbaus erstellt und dazu auch einen Film bei Youtube veröffentlicht.
https://www.youtube.com/watch?v=C9wOJt-sIww (Hinweis: Aus Datenschutzgründen verlinkt hannover.de nicht direkt in soziale Medien)