Nur das kolossale Arbeiter-Standbild mit dem mächtigen Hammer und die große Fabrikuhr am Hanomag-Werkstor erinnern heute noch daran, dass auf dem weitläufigen Areal dahinter einmal viele tausend Menschen hart gearbeitet haben.
In den Werkshallen der 1871 gegründeten "Hannoverschen Maschinenbau Actiengesellschaft" fertigten sie Landmaschinen, Lastwagen und Lokomotiven. 1983 ging der Betrieb in Konkurs. In den darauf folgenden Jahren wandelte sich das ehemalige Industriegelände an der Göttinger Straße im hannoverschen Stadtteil Linden-Süd zu einem der modernsten Gewerbe- und Wohnquartiere der niedersächsischen Landeshauptstadt.
Kräne, Kessel und das "Kommissbrot"
Die Wurzeln des einst in der ganzen Welt bekannten Industrieunternehmens liegen in der Stadt Linden, die im 19. Jahrhundert noch nicht zu Hannover gehörte. 1835 gründete Georg Egestorff dort eine "Eisen-Giesserey und Maschinenfabrik", in der zunächst Dampfmaschinen, Kräne sowie Kessel und später auch Dampflokomotiven gebaut wurden. 1871 wurde daraus dann die "Hannoversche Maschinenbau Actiengesellschaft", kurz Hanomag. Unter dem neuen Namen stellte man dort nun auch Nutzfahrzeuge aller Art und Automobile her – wie etwa ein Zehn-PS-Kleinwagen, der in den 1920er Jahren als erstes Auto in Deutschland in Serie gebaut und wegen seiner kastenförmigen Bauart unter dem Namen "Kommissbrot" bekannt wurde.
Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges produzierte Hanomag hauptsächlich Rüstungsgüter wie Flakgeschütze, Kettenfahrzeuge und Munition. Nach 1945 wuchs das Unternehmen rasant, zeitweise über 13.000 Menschen waren mit dem Bau von Landmaschinen, Traktoren und Lastwagen beschäftigt – Gerätschaften und Fahrzeuge, die dringend zum Wiederaufbau und während der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders überall im Land gebraucht wurden. Nach zahlreichen Besitzerwechseln und Missmanagement musste das einst hochprofitable Industrieunternehmen Ende 1983 Konkurs anmelden. 1989 übernahm der japanische Baumaschinen-Konzern Komatsu die Geschäfte und Gebäude der ehemaligen Hanomag und baut jetzt Mobilbagger und Radlader auf einem kleinen Teil des einst 44 Hektar großen Geländes, auf dem heute nur wenig noch an die industrielle Vergangenheit erinnert.
Music Circus in der U-Boot-Halle
Die meisten alten Produktionshallen und Fabrikanlagen (etwa die Lokomotiv-Dreherei oder auch die Werkssiedlung "Klein Rumänien") wurden bereits abgerissen oder im Zuge der Neunutzung des Hanomag-Geländes saniert und – wie beispielsweise die ehemalige Kanonenwerkstatt, das einstige Beamtenwohnhaus und die frühere Direktorenvilla – in Gewerbe- und Geschäfträume oder Wohnungen und Lofts umgewandelt. Interessant ist die wechselvolle Geschichte der 1943 gebauten sogenannten U-Boot-Halle, die zwar für den U-Boot-Bau geplant, dafür aber nie in Betrieb genommen wurde: In der Nachkriegszeit diente die Halle für die Endfertigung und als Lager für den Versand, nach dem Konkurs der Hanomag wurde sie Ende der 1980er Jahre zum "Music Circus" für Konzerte und Feiern, danach zog die Discothek "Cyberhouse" ein, und heute sind dort ein Fahrrad-Geschäft, ein Supermarkt und ein Möbelhändler ansässig.
Das sechsstöckige Gebäude neben dem breiten Werkstor mit dem Arbeiterstandbild des hannoverschen Bildhauers Georg Herting an der Göttinger Straße nutzt seit dem Jahr 2000 die Deutsche Telekom, die 1999 errichtete Fabrikhalle gegenüber der U-Boot-Halle an der Elfriede-Paul-Allee beherbergt heute eine OBI Baumarkt-Filiale, und der Bürotrakt daneben ist die Dienststelle für rund 300 Mitarbeiter der Polizeidirektion Hannover. Ebenfalls auf dem ehemaligen Hanomag-Gelände befindet sich das neue Technologiezentrum des japanische Baumaschinen-Konzerns Komatsu (das rund 150 Mitarbeitern auf über 4.000 Quadratmetern Platz für Forschung und Schulungen bietet) sowie die Büros und Werkstätten des größten Kreativ-Netzwerks in Deutschland "kre|H|tiv" in der Halle 96 am Deisterkreisel.