Gebäuderundgang
Das Rathaus von Außen (Süd)
Die sonnige Südseite des Rathauses mit dem Blick über Maschpark und Maschteich ist seit Generationen ein beliebtes Foto- und Postkartenmotiv der Extraklasse.
Kein Rathausbau der Republik erhebt sich so malerisch aus einer Garten- und Parklandschaft. In der Wasserfläche spiegeln sich der majestätische Kuppelturm und die beiden, auch noch 62 Meter hohen Seitentürme. Barockfürsten hätten ihre helle Freude an diesem Bild gehabt. Und Touristen freuen sich über ein Postkartenmotiv der Extraklasse.
Die Fassade
Drei hohe Giebel und drei Rundbogenfenster gliedern den Mittelteil der Südfassade. Hinter ihnen befindet sich heute der Ratssaal, in den zurückgesetzten Flügeln links und rechts schließen sich im ersten Obergeschoss weitere Sitzungssäle an. Erbaut waren diese Räumlichkeiten in der „Belle Etage“ als eine Flucht repräsentativer Festsäle. Das erklärt auch die lebensfrohen Schmuckelemente im oberen Teil der Fassade. Die Figuren in den Giebelnischen stellten allegorisch Wein, Weib und Gesang dar. Der Sänger im rechten Giebelfeld fehlt. Er ist wahrscheinlich bei einem der Bombentreffer kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs verloren gegangen. Im (vereinfacht wieder hergestellten) Maßwerk der Rundbogenfenster tummeln sich, aus der Fußgängerperspektive kaum erkennbar, Hund und Katze, Fuchs und Hase und sogar ein Affe – Motive, die sich schon an gotischen Kathedralen des Mittelalters finden lassen.
Ansonsten aber geht es doch ernsthaft zu. Von vier Säulenpilastern blicken in Lebensgröße (von links) Heinrich der Löwe, der erste Kurfürst Ernst August, der erste König gleichen Namens und schließlich der letzte Welfenkönig Georg V. in Richtung Maschteich. Das hannoversche Bürgertum stellte damit wenigstens an der Rückseite eine Verbindungslinie zur Reihe der Welfenherrscher her – eine Konzession an die zur Bauzeit immer noch starke Anhängerschaft der entmachteten Welfen und ihrer Partei. An der Nordfassade und vor allem bei der Innenausstattung des Prachtbaus waren diese Traditionalisten zu kurz gekommen. Das hatte zu diversen Konflikten während der Bauzeit geführt.
Das Bürgertum feiert sich an der Südfront aber auch selbst. Im Erdgeschoss, gut sichtbar von der Terrasse vor dem heutigen Gartensaal, sind nach Vorbild offenbar des Hamburger Rathauses bedeutende Persönlichkeiten der Stadtgeschichte aus dem Bürgertum abgebildet. Halbreliefs zeigen (wiederum von links) Portraits des Unternehmers Johann Duve (1611 bis 1679), des Dichters Ludwig Hölty (1748 bis 1776), des Malers Johann Heinrich Ramberg (1763 bis 1807), des Architekten und Hofbaumeisters Georg Ludwig Laves (1788 bis 1864), des Pastors Hermann Wilhelm Bödeker (1799 bis 1875) sowie des Begründers der Polytechnischen Schule (der heutigen Universität), Karl Karmarsch (1803 bis 1879).
Die Auswahl war Programm: ein früher Unternehmer und Förderer von sozialen Einrichtungen, zwei Künstler, der bedeutendste Baumeister und Stadtplaner Laves als Schöpfer des modernen Hannovers, ein Kirchenmann und Wohltäter, ein Vertreter von Wissenschaft und Technik. Sie verkörperten Tugenden und Fähigkeiten, die in vielen anderen Ausstattungsdetails vor allem auch im Inneren des Rathauses verherrlicht werden.
Im Erdgeschoss unterhalb des Ratssaals lädt seit dem Jahr 2000 das Restaurant Gartensaal mit Sommerterrasse zu einem Drink oder auch zu einem guten Essen ein. Man kann von dort aus einen wunderschönen Blick über den Maschpark genießen. Damit hat das Rathaus anlässlich der umfangreichen Restaurierungsarbeiten vor der Expo fast 90 Jahre nach seiner Einweihung endlich auch eine angemessene Gastronomie bekommen.
Zeitläufte
Das Rathaus hatte die verheerenden Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden – wenn auch nicht ganz unversehrt. Auf der Südterrasse wurden nach der vernichtenden Bombennacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 Überlebende betreut. SA-Leute teilten an die Bevölkerung Erbsensuppe aus. Treffer hatten die Kuppel an der Südseite schwer beschädigt, aber dank ihrer mächtigen Eckpfeiler nicht zum Einsturz gebracht. Noch kurz vor Kriegsende, im März 1945, trafen Einschläge die Festsäle und zerstörten Giebel an der Südfront.
Die Reparaturen dauerten bis in die frühen 50er Jahre. Historische Aufnahmen zeigen, wie die Kuppel gesichert und neu eingedeckt, der Dachstuhl über dem heutigen Ratssaal aufgerichtet wurde. Im Großen und Ganzen ist damals, von einigen Vereinfachungen abgesehen, äußerlich das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder hergestellt worden. Nur der Uhrengiebel an der Südseite der Kuppel erhielt eine schlichtere Fassung und erzählt so davon, dass auch das Rathaus nur knapp dem Untergang entronnen ist. Eine neue Uhr mit einem Zifferblatt von sechs Metern Durchmesser, einem Minutenzeiger von knapp zwei Metern und einem Stundenzeiger von 1,80 Metern zeigt den Hannoveranern nun wieder an, was im Rathaus die Stunde geschlagen hat. Von der nicht erneuerten Figur im rechten der drei Prachtgiebel war schon die Rede.
Ursprünglich öffnete sich das Rathaus mit einer offenen Vorhalle zum Maschpark. Sie ist verschwunden. Der Bereich hat im Lauf der Jahrzehnte mehrere Wandlungen erfahren. In den 50er Jahren waren seine Torbögen mit Fenstern verschlossen, die Räume für die Stadtkasse umgebaut worden. Mit dem Gartensaal (siehe oben) hat die ehemalige Loggia eine angemessene und architektonisch anspruchsvolle Nutzung bekommen.
Der Maschpark
Die Freitreppe zum Maschteich, die Kandelaber und Ufermauern mit ihren Steinvasen aus Muschelkalk sind anlässlich der Weltausstellung 2000 ebenfalls gründlich restauriert und ergänzt worden. Diese Anlage vor der herrlichen Kulisse der Rathaussüdfront war im Herbst 2005 Schauplatz der feierlichen Verabschiedung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einem großen Zapfenstreich der Bundeswehr. Treppe und Vorplatz bilden den architektonisch gefassten Auftakt zum anschließenden Maschpark, auch dies ein Anklang an Schlossanlagen früherer Epochen.
Der zehn Hektar große Landschaftspark mit dem 2,6 Hektar großen Teich wurde schon vor der Fertigstellung des Rathauses zwischen 1899 und 1902 nach Plänen des ersten hannoverschen Gartenbaudirektors Julius Trip angelegt. Konzipiert worden war er bereits 1895 als Teil einer repräsentativen Stadterweiterung nach Süden, flankiert vom Rathaus, vom Provinzial-, dem heutigen Landesmuseum (errichtet 1897 bis 1901 nach Entwürfen von Hubert Stier) und weiteren, dann aber nicht ausgeführten Bauten auf seiner Westseite. Das Museum hatte seinerzeit wie das Reichstagsgebäude eine Kuppel aus Stahl und Glas bekommen, die nach den Kriegszerstörungen nicht wieder aufgebaut wurde. Wer weiß, wie es dem Rathaus ergangen wäre, wenn seine Kuppel das gleiche Schicksal ereilt hätte.
Der Maschpark ist im Stil eines Landschaftsparks des späten 19. Jahrhunderts gehalten. Ein Denkmal (nur teilweise erhalten) erinnert an Gartendirektor Trip. eine romantische Brücke überspannt den mit Seerosen bewachsenen Teich. Dem Rathaus gegenüber erhebt sich am Ufer eine kleine Gebirgslandschaft. Zu den bemerkenswerten Kunstwerken gehört das Schottische Kreuz, ein Bronzekreuz auf Betonsockel von Henry Moore (1960). Die Wege sind seit 1985 nach den Partnerstädten Hannovers benannt. Nicht erhalten ist das im Krieg zerstörte Denkmal für den nationalliberalen Politiker Rudolf von Bennigsen (1824 bis 1902) vor dem Landesmuseum. Der ehemalige preußische Oberpräsident war für die hannoverschen Welfenanhänger der bestgehasste Mann nach Bismarck. Stadtdirektor Heinrich Tramm machte Bennigsen 1894 zu deren Verärgerung zum Ehrenbürger und ließ ihm 1907 das Denkmal setzen. So lag auch der Maschpark wie der Rathausbau im Spannungsfeld der politischen Konfliktlinien jener Zeit.
Mit dem Maschpark hatte die gärtnerische Gestaltung der einst vor den Stadtmauern gelegenen Maschwiesen begonnen. Sie fand mit dem Bau des südlich gelegenen künstlichen Maschsees 1935/36 ihren Abschluss. Park und See bilden eine direkte Grünverbindung von der hannoverschen Innenstadt in die offene Landschaft des südlichen Leinetals.
Texte mit freundlicher Genehmigung von Michael Krische.