Die Geschichte des heute weltbekannten Hamburger Nachrichtenmagazins begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im britisch besetzten Hannover. DER SPIEGEL wurde im als Verlagsgebäude genutzten Anzeiger-Hochhaus am Steintor-Platz in der Innenstadt gegründet, Chefredakteur und Herausgeber der ersten Stunde war Rudolf Augstein – ein gebürtiger Hannoveraner und 23 Jahre junger Journalist, der zuvor beim "Neuen Hannoverschen Kurier" gearbeitet und unvermittelt von der britischen Militärverwaltung die Verlegerlizenz für ein politisches Wochenmagazin bekommen hatte. Die erste "SPIEGEL"-Ausgabe erschien am 4. Januar 1947. Bis zum Umzug nach Hamburg im Jahr 1952 hatte die Redaktion ihren Sitz in Hannover.
Die erste Ausgabe hatte 26 Seiten und kostete 1 Reichsmark
Bereits seit November 1946 war unter dem Titel "Diese Woche" ein Vorläufer erschienen, der schon fünf Ausgaben später nach dem Willen der drei verantwortlichen britischen Presseoffiziere Harry Bohrer, John Seymour Chaloner und Henry Ormond durch ein Nachrichtenmagazin im Stil der amerikanischen und britischen news magazines ersetzt werden sollte. Rudolf Augstein, in Hannover am 5. November 1923 geboren, leitete zu der Zeit das Deutschland-Referat bei "Diese Woche". Ihm und seinen ebenfalls jungen Journalistenkollegen mangelt es an Respekt vor der Obrigkeit, sie kritisieren offen die Politik der Besatzer und schreiben darüber, wie sie "immer mehr Know-how, aber auch Maschinen in ihr Heimatland deportieren", wie die Sonderbeilage "DER SPIEGEL 60 Jahre Zeitgeschichte" in der "SPIEGEL"-Ausgabe 2/2007 dokumentiert.
Trotz oder gerade deswegen erhält Rudolf Augstein eine Verlegerlizenz und wird mit der Herausgabe des neuen Wochenmagazins beauftragt, das er "DER SPIEGEL" nennt. Die erste Auflage ging mit 15.000 gedruckten Exemplaren für jeweils 1 Reichsmark auf den Markt, mehr ließen die Papierrationierungen der Briten damals nicht zu. Doch das sollte sich sehr schnell ändern, wenngleich auch nicht so wie zunächst gedacht.
Investigativ, präzise und respektlos
Der von Rudolf Augstein schon bei der Zeitschrift "Diese Woche" bewährte Journalismus-Stil von "investigativ, präzise und respektlos" sollte künftig auch bei seinem neuen Nachrichtenmagazin Anwendung finden – mit nachhaltigen Folgen: bereits ein Jahr nach seiner Gründung sah "DER SPIEGEL" sich mit dem bislang einzigen Druckverbot seiner Verlagsgeschichte konfrontiert. "Damals intervenierte das holländische Königshaus bei der britischen Besatzungsmacht, weil sich das Magazin über die Beine der Königin Juliana, konkret deren 'säulenhaften Unterbau', lustig gemacht und zugleich enthüllt hatte, dass Prinzgemahl Bernhard SS-Sturmführer ehrenhalber gewesen war. Der SPIEGEL 43/1948 darf nicht erscheinen." (Quelle: "DER SPIEGEL 60 Jahre Zeitgeschichte"). Daraufhin beschloss die Redaktion 1949 das so genannte "SPIEGEL-Statut": "Alle im Spiegel verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist […] peinlichst genau nachzuprüfen."
DER SPIEGEL sorgt schnell selbst Schlagzeilen
Landesweit bekannt wird "DER SPIEGEL" im Jahr darauf: 1950 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin aus Hannover den Vorwurf, Bonn (und nicht Frankfurt am Main) sei nur durch Bestechung von Abgeordneten zur vorläufigen Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Im daraufhin vom Deutschen Bundestag eingesetzten, so genannten "SPIEGEL-Ausschuss" wird Herausgeber Rudolf Augstein als Zeuge vernommen. Er gibt jedoch die Quellen für die Enthüllungsgeschichte nicht preis und beruft sich auf die journalistische Schweigepflicht. Diese Standhaftigkeit stärkt nicht nur die noch junge Pressefreiheit in der ebenfalls noch jungen Bundesrepublik, von ihr profitiert auch "DER SPIEGEL": von anfänglich 15.000 verkauften Exemplaren im Jahr 1947 kletterte die Auflage von 1950 auf knapp 87.000 Exemplare (zum Vergleich: im zweiten Quartal 2016 waren es laut IVW 771.450 Exemplare).
Zur Jahreswende 1950/51 übernimmt der Hamburger Verleger John Jahr die Hälfte der Verlagsanteile und ist zusammen mit Rudolf Augstein Gesellschafter des SPIEGEL-Verlages. 1952 schließlich wird der Stammsitz von Hannover nach Hamburg verlegt. Das Pressehaus am Speersort ist jetzt die neue Heimat des in Hannover gegründeten Nachrichtenmagazins, von dem später Bundeskanzler Konrad Adenauer behaupten wird: "Ich lese übrigens den 'Spiegel' im Allgemeinen nicht, ich habe Besseres zu tun."