Im Rahmen der Ausstellung
PUBLIC PARTS II
Beteiligte Künstler*innen und Akteur*innen: Anna Beller, Lukas Zerbst, Kathrin Wildner und Nele Wohlatz mit Diana Lucas-Drogan und Nora Brünger, sowie: Erich Hauser
19.10. bis 1.12.2024
Zum Projekt:
Sowohl-als-auch
zur Eigenwilligkeit der Orte.
Unsere Gegenwart hat die Form eines und… und… und… und… Auch der öffentliche Raum von Hannover ist geprägt von Gleichzeitigkeiten, Widersprüchen und Unklarheiten in Nutzung und Planung. Was passiert, wenn wir widersprüchliche Zustände und Eindrücke nicht dialektisch auflösen, sondern anerkennen und, wenn nötig, nebeneinander stehen lassen? Ambiguitätstoleranz beschreibt die Fähigkeit, Vieldeutigkeit zur Kenntnis zu nehmen und auszuhalten — ein Denken in Optionen und Gleichzeitigkeiten. Aus dem gedanklichen und emotionalen Akzeptieren dieser Voraussetzungen können neue Handlungsmöglichkeiten für die Gestaltung von Räumen und Beziehungen entstehen.
Der Andreas-Hermes-Platz und Teile des Raschplatzes, der Steintorplatz und das Ex-Maritim Hotel mit dem Platz vor der städtischen Galerie KUBUS sind Orte in Hannovers Innenstadt, die in der öffentlichen Meinung als umstritten, unattraktiv oder als Aufenthaltsorte uninteressant gelten. Obwohl sie auf den ersten Blick nicht gefallen mögen – sie sind keine Parks, keine mediterranen Marktplätze, keine Flusspromenaden – besitzen sie eine eigenwillige Wirkungsmacht. Sie sind Orte immer neu ansetzender Stadtplanung und informeller Taktiken der Aneignung. Sie befinden sich in Transformation und teils sind sie im Verschwinden begriffen. Zugleich sind sie Schauplätze von Debatten um das Wesen der Stadt oder das, was Stadt sein könnte.
In einem radikal offenen, dialogförmigen Prozess begeben wir uns auf die Suche nach Eindrücken und Erzählungen an diesen drei Orten. Dabei spielen Spontanität und Übersetzung eine Rolle. Wir beobachten räumliche Momente, Bewegungen, Materialitäten, Schichten und Spuren unterschiedlicher Nutzung. Unsere Beobachtungen beschreiben wir und ergänzen sie durch subjektive Erinnerungen und fragmentarische Informationen zur Stadtentwicklung in drei Phasen: Die 1970er Jahren, mit ihrem groß angelegten Einzug von Skulpturen im öffentlichen Raum, die Idee der Autostadt, die 1990er Jahre, geprägt durch Umgestaltungen und Stadtmarketing und die Gegenwart, in der wir uns bewegen – gerade letztere scheint schwierig greifbar zu sein, da wir uns mittendrin befinden. Wir schicken kurze Sprachnachrichten von den drei Orten aus an eine Person, die unsere Beschreibungen wiederum in Kartierungen übersetzt, ohne sie selbst besucht zu haben.
Diese Karten dürfen mitgenommen werden, um an die Orte zurück zu gehen und sie selbst zu erkunden. Folge deiner Neugier und deinem Blick. Achte auf Schilder, Tiere, Möbel, Architektur und die Art und Weise, wie Menschen sich hier verhalten.
Was kommt dir seltsam vor?
Was sticht hervor?
Was ist langweilig? Warum?
Es kann nützlich sein, Fotos zu machen.
Welche Oberflächen finden sich hier und wie verhalten sich die Materialien zueinander?
In welcher zeitlichen Abfolge sind sie entstanden?
Warum hier abbiegen?
Warum auf dieser Seite des Platzes gehen?
Was ist der Zweck dieses Musters?
Kannst du die Geräusche hören, die dein eigener Körper beim Gehen produziert?
Welche Töne umgeben dich? Was klingt dahinter?
Welches sind die entferntesten Geräusche?
Gehe 50 Meter weiter und horche erneut.
Verändern sich die Temperaturen?
Was macht deine Anwesenheit mit diesem Ort?
Was wird sie den anderen bringen?
Wir sind vier Personen, die aus unterschiedlichen Disziplinen auf die Stadt blicken: Nora Brünger ist Kuratorin für Kunst im öffentlichen Raum mit forschendem Interesse am Bestand der Skulpturen seit den 1970er Jahren, insbesondere am „Experiment Straßenkunst“. Nele Wohlatz ist Filmemacherin und in Hannover aufgewachsen, sie hat einen großen Teil ihres Lebens in Argentinien verbracht. Kathrin Wildner ist Stadtethnologin, die sich für das Alltägliche und Gewöhnliche der Stadt interessiert. Diana Lucas-Drogan ist Architektin und Künstlerin, sie interpretiert aus der Ferne unsere Erzählungen und übersetzt sie in Mappings. Diese drei Karten sind Teil der Ausstellung „Public Parts II“, die vom 19.10.24 bis zum 1.12.24 in der städtischen Galerie KUBUS EG in Hannover stattfindet.
Konzept, Beobachtungen, Kurznachrichten: Nele Wohlatz, Kathrin Wildner, Nora Brünger
Mappings: Diana Lucas-Drogan
Grafische Umsetzung, Layout: < > ø
Weitere Künstler*innen „Public Parts II“: Anna Beller, Lukas Zerbst, Erich Hauser
„Public Parts I“ findet im März 25 in der Städtischen Galerie KUBUS EG statt. Beteiligte Künstler*innen und Akteur*innen: Julia Lübbecke, Sabine Müller, Sanford Wurmfeld u.a.; Kuratorin „Public Parts“: Nora Brünger in Zusammenarbeit mit Leona Koldehoff
Die Reihe „Public Parts“ widmet sich dem städtischen öffentlichen Raum und der Kunst in ebendiesem mit Blicken zurück und nach vorn. Dies geschieht im Sinne einer Verbindung von historischen Positionen (etwa aus den 1970er Jahren, einer Zeit, als das „Experiment Straßenkunst“ Hannover zu einer Vorreiterstadt machte), die bis heute aktuell sind, mit der Frage danach, wem der öffentliche Raum gehört. Welche Blickwinkel, welche Akteur*innen machen ihn in Hannover lebendig? Es geht dabei sowohl um die inhaltlichen Setzungen aktueller künstlerischer Positionen als auch um eine Relevanz und Verortung in der Zeit.
Kuratiert von Nora Brünger, in Kooperation mit der Städtischen Galerie KUBUS und Anke Pauli, Artothek Hannover.