Die Provenienzforschung konzentriert sich insbesondere auf die eigentumsrechtliche Klärung von der Herkunft eines Kunstobjektes, das vor 1945 entstanden und seit 1933, dem Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, durch die Stadt Hannover erworben wurde.
Die Zeit des Nationalsozialismus hat nicht nur die Verfolgung jüdischer Bürger mit sich gebracht, sie hat auch in den Museen und im kulturellen Leben in Hannover ihre Spuren hinterlassen.
Diffamierung aller Formen moderner Kunst
Kurz nach der Machtergreifung von Januar 1933 griff unter der Diktatur der Nationalsozialisten eine geänderte Kulturpolitik und nahm Einfluss auf die aus der Weimarer Zeit hervorgegangene Vielfalt kulturellen Schaffens. Alle Formen moderner Kunst wurden durch die neue Reichskulturkammer offiziell diffamiert. Unerwünschte Amtsinhaber oder Museumsdirektoren wurden aus ihren Positionen entlassen, jüdischen Kunsthändlern wurde die Geschäftstätigkeit untersagt. Wie auch in anderen deutschen Museen wurden 1937 auf Veranlassung des Reichspropagandaministeriums über 100 repräsentative Werke moderner Kunst aus dem Bestand des ältesten städtischen Museums, dem Museum August Kestner (ehemals Kestner-Museum) beschlagnahmt, die als entartet und verfemt klassifiziert waren.
Jüdisches Vermögen und Kunstbesitz verfiel entschädigungslos an das Deutsche Reich
Infolge der Verschärfung der nationalsozialistischen Rassengesetzgebungen verloren Juden ihr Vermögen und ihren Kunstbesitz. Seit Herbst 1941 gelangten durch weitere Beschlagnahmewellen wertvolle Kunstgüter in den Kunsthandel und in museale Sammlungen, nachdem sie jüdischen Eigentümern durch das Deutsche Reich unrechtmäßig enteignet worden waren. Nur wenige Juden konnten emigrieren oder ihren Kunstbesitz vor dem Zugriff nationalsozialistischer Verfolgung schützen. Die weitaus größere Anzahl von Opfern wurde deportiert. Jüdisches Vermögen und Kunstbesitz verfiel entschädigungslos an das Deutsche Reich und wurde teilweise durch die deutschen Museen angekauft.
Zurückgabe geraubter, enteigneter und zwangsverkaufter Kulturgüter
Nach 1945 wurden erste Entschädigungsverfahren durch jüdische Überlebende, die Opfer des nationalsozialistischen Regimes geworden waren, in Gang gebracht. Die Aufarbeitung dieser historischen Vorgänge dauert jedoch bis heute an.
Auf einer Konferenz in Washington am 3. Dezember 1998 haben deshalb 44 Teilnehmerstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, eine Vereinbarung getroffen, ungeachtet von verstrichenen Verjährungsfristen unrechtmäßig enteignetes Kunstgut aus jüdischem Besitz, das sich heute möglicherweise noch immer in öffentlichen Sammlungen und Einrichtungen befindet, aufzufinden, zurückzuerstatten oder vergleichbare Lösungen für eine entsprechende Entschädigung zu finden.
Im Jahr 1999 haben daraufhin der Bund, die Länder und kommunalen Spitzenverbände eine „Gemeinsame Erklärung“ zur Umsetzung der Washingtoner Grundsätze verabschiedet, um Kunstgut, das den rechtmäßigen Eigentümern durch rassische, politische oder weltanschauliche Verfolgung enteignet wurde und in öffentliche Museumssammlungen gelangt ist, zu restituieren, zu entschädigen oder vergleichbare Lösungen für eine Entschädigung zu finden.
Eine 2001 vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien herausgegebene „Handreichung“ formulierte Maßgaben für die Umsetzung der in Washington festgelegten Ziele, welche den bundesdeutschen Museen bei der Umsetzung der Recherchen als Anleitung dient.
Die Landeshauptstadt hat 2008 eine Stelle für die Provenienzforschung zum städtischen Kunstbesitz eingerichtet
Mit Einrichtung einer fest verankerten Stelle für Provenienzforschung folgt die Landeshauptstadt Hannover den internationalen Bemühungen, die eigenen Sammlungsbestände aktiv und initiativ auf ihre Herkunft hin zu erforschen, um dabei aufgefundene Kunstwerke, die nachweislich unrechtmäßig aus jüdischem Eigentum enteignet worden sind, entsprechend zurückzuerstatten oder zu entschädigen.
Forschungen zur eigenen Sammlungsgeschichte und der Identität eines jeden Kunstwerks sind seit jeher Teil des musealen Alltags. Die Provenienzforschung heute konzentriert sich insbesondere auf die eigentumsrechtliche Klärung von der Herkunft solcher Kunstobjekte, die vor 1945 entstanden und seit 1933, dem Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, durch die Stadt Hannover erworben sind.
Autorin: Dr. Annette Baumann – Landeshauptstadt Hannover, Provenienzforschung