Rückgabe Sammlung Kunstgewerbe
1950er Jahre – Ostasiatika – Kunstgewerbe
Restitution ostasiatisches Kunstgewerbe aus der Sammlung Max Rüdenberg
Max Rüdenberg (09.04.1863 Bad Oynhausen – 26.09.1942 Theresienstadt) war Bettfedernfabrikant und besaß eine große Sammlung ostasiatischen Kunsthandwerks. Verheiratet war er mit Margarethe Rüdenberg, geb. Grünberg (17.07.1897 Arnsberg – 29.11.1943 Theresienstadt).
Seit Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 durchlebte die Familie Max und Margarethe Rüdenberg alle Stadien existentieller Verfolgung, verschärft durch die 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze. Dabei verlor die Familie ihre existentielle Grundlage, das geschäftliche als auch private Vermögen. Die Firma wie auch ihre Villa Schwanenburg wurden enteignet.
Enteignung und Verwertung der Ostasiatika-Sammlung
Noch um 1940 hatte Max Rüdenberg seine Sammlung zum Schutz vor ihrer Enteignung der Stadt Hannover zum Verkauf anbieten wollen. Damit verbundene Hoffnungen auf eine Lockerung antijüdischer Maßnahmen gegen ihn zerstörten sich jedoch in den folgenden Monaten. Das Ehepaar Rüdenberg wurde am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Auf vorausgegangene Repressalien und Vermögenseinzugsgesetzgebungen folgte mit der 11. Verordnung des Reichsbürgergesetzes vom 25.11.1941 die vollständige Enteignung der aus dem Deutschen Reich in die besetzten Gebiete deportierten Juden. Die noch zuvor aufgenommenen Veräußerungsverhandlungen waren durch das Kestner Museum (heute Museum August Kestner) und dessen damaligem Leiter Dr. Ferdinand Stuttmann hinausgezögert worden, wohl um den Preis zu drücken. Es fehlten nach Kriegsbeginn jegliche finanzielle Mittel für größere Sammlungserwerbungen. Der Leiter der Landesgalerie Stuttmann führte auch das Kestner Museum in Personalunion, nachdem dessen Direktor Dr. Carl Küthmann aufgrund seiner jüdischen Ehefrau 1937 seines Amtes enthoben worden war.
Zur Sichtung und Aufbewahrung wurde die Sammlung im Juli 1941 in 11 Kisten in das Kestner Museum transportiert. Zu einem Ankauf aller Sammlungsstücke kam es zu diesem Zeitpunkt nicht, verfügte die Stadt noch immer nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel. Erst 1942 erhielt das Kestner Museum durch die Reichsstellen und Oberfinanzdirektion den Auftrag, die sogenannte Verwertung der Sammlung vorzunehmen. 49 Teile wurden 1942 mittels freigegebener Sondermittel aus dem ursprünglichen Gesamtbestand der Sammlung von den zuständigen Reichsstellen durch die Stadt für das Kestner Museum angekauft. Der restliche Teil wurde über die Firma Urban in Hannover versteigert und gelangte auf den freien Markt. Max Rüdenberg konnte nicht mehr über die Erlöse des Verkaufes selbständig verfügen.
Nach 1945
Die mit Mitteln der Stadt Hannover erworbenen Sammlungsgüter wurden wie auch andere Bestände des Kestner Museums aus Schutz vor Bombenangriffen im Salzbergwerk Grasleben eingelagert und überdauerten dort den Krieg – so auch die Bombenangriffe auf Hannover von Oktober 1943. Allerdings wurden die ausgelagerten Kisten mit Museumsbeständen unmittelbar nach Kriegsende geplündert. Bis auf 5 Gegenstände konnte der aus Eigentum Max Rüdenbergs erworbene Bestand wenig später wiedergefunden werden und wurde wie auch das enteignete Grundstück den Erben nach Max und Margarethe Rüdenberg in den nach 1945 aufgenommenen, sich bis Anfang der 1950er Jahre ziehenden Wiedergutmachungsverfahren rückerstattet bzw. finanziell entschädigt.
Aus den während der Entschädigungsverfahren erstellten Listen an verlorenen Sammlungs- und Kulturgütern aus Eigentum Max Rüdenbergs ergibt sich zudem die Kenntnis von 12 Gemälden und 4 Zeichnungen an Alter Kunst und der Kunst des 19. Jahrhunderts, die heute ebenfalls als verloren gelten. Ein in die Emigration gerettetes Fotoalbum dokumentiert die ehemals in der Villa Schwanenburg aufgestellte Sammlung an Ostasiatika und dient bei LostArt (Deutsches Zentrum Kulturgüterverluste) der noch andauernden Suche nach den bei der Firma Urban verauktionierten Objekten. Listen der Einzelobjekte mit den damaligen Schätzpreisen sind in den in Hannover befindlichen Akten erhalten. Dokumente des Auktionshauses Urban ließen sich bislang jedoch nicht auffinden, auch nicht in externen Archiven (z. B. weitere Museumsarchive, Bundesarchiv oder Landesarchiv Berlin).
Nach erneut vorgenommenen Prüfungen befinden sich keines der enteigneten und folgend versteigerten Sammlungsobjekte in heutigem Eigentum der Landeshauptstadt Hannover.
Als Leihgeber von Exponaten ostasiatischer Kunst ist Max Rüdenberg in den erhaltenen Aktenbeständen der Kestner-Gesellschaft und in dem die 45. Ausstellung (2. Oktober – 13. November 1921) begleitenden Katalog namentlich ausgewiesen.
Die Akten zu dem Verfolgungsschicksal von Max und Margarete Rüdenberg sind öffentlich einsehbar im Stadtarchiv Hannover sowie im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover.
Die Landeshauptstadt Hannover betreibt aktive Erinnerungskultur, um an die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu erinnern. Für das im Juli 1942 nach Theresienstadt deportierte Ehepaar Max und Margarethe Rüdenberg wurden durch die Landeshauptstadt Hannover an ihrem ehemaligen Grundstück, der Villa Schwanenburg in Hannover-Limmer, 2008 und 2014 Stolpersteine verlegt. Im September 2017 wurde der Margarethe-und-Max-Rüdenberg-Platz in Hannover-Limmer eingeweiht. Auch das 1994 eingeweihte Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers am Opern-Platz würdigt die Namen des in Theresienstadt ermordeten Ehepaars.
Autorin: Dr. Annette Baumann – Landeshauptstadt Hannover, Provenienzforschung
Siehe: www.lostart.de – Max Rüdenberg
Literatur
Sandra Blanke, Das Kestner-Museum in der Zeit des Nationalsozialismus, unveröff. Magisterarbeit, Universität Hannover, 2000
Rüdiger Fleiter, Stadtverwaltung im Dritten Reich, Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, hrsg. Im Auftrag der Landeshauptstadt Hannover von Karljosef Kreter, Hannoversche Studien, Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Bd. 10, Hannover 2006 (2007)
Vanessa-Maria Voigt, Das Schicksal der Sammlung Max Rüdenberg in Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Nr. 60. Jg. 2006, hrsg. von der Landeshauptstadt Hannover, S. 83-90
Autorin: Landeshauptstadt Hannover, Provenienzforschung – Dr. Annette Baumann