Einer der hochdotierten Literaturpreise in Deutschland, der Gerrit-Engelke-Preis
der Landeshauptstadt Hannover, geht in diesem Jahr an die Autorin Kerstin Hensel
für ihr Gesamtwerk.
Die 39-jährige, in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) geborene Hensel nahm
die Auszeichnung am Dienstagabend (25. Januar) im Rahmen einer Feierstunde im
Alten Rathaus der niedersächsischen Landeshauptstadt aus den Händen
von Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg und dem Vorstandsvorsitzenden
der Stadtsparkasse Hannover, Harald Quensen, entgegen.
Nach einer Ausbildung und Arbeit als chirurgische Schwester studierte Hensel
von 1983 bis 1986 am Institut für Literatur "Johannes R. Becher"
in Leipzig. Seit 1983 sind zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Erzählungen,
Gedichte, Libretti, Hörspiele, Filmszenarien und ein Theaterstück
von ihr erschienen.
Internationale Aufmerksamkeit errang sie vor allem mit ihrer 1994 erschienenen
Erzählung "Tanz am Kanal". Ihr Erzählungsband "Neunerlei"
(1997) entwirft gestörte Idyllen und überzeugt durch satirische Zuspitzung
und raffinierte Einfachheit in der Erzählweise.
Hensel erhielt seit 1989 zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 1998 den Förderpreis
zum Lessingpreis des Freistaates Sachsen.
Im Urkundentext des Gerrit-Engelke-Preises für das Jahr 1999 heißt
es:
"Die Jury hat Kerstin Hensel die Auszeichnung für ihr erzählerisches
Gesamtwerk zuerkannt, das als laufende Chronik der Entwicklung seit 1989 gelesen
werden kann. Hensel knüpft an eine in Deutschland eher marginale Erzähltradition
der politischen Satire an. Seit dem frühen Prosaband ´Hallimasch` (1989)
bis hin zum zuletzt erschienenen Roman ´Gipshut` (1999) verfolgt sie die deutsch-deutschen
Verhältnisse mit zunehmendem Sarkasmus und entwirft mit ungezügelter
Fabulierlust und einer makabren Vorliebe für die tragikomischen Effekte
des Alltags phantastisch-absurde Räume, in denen die Realität als
Groteske verzerrt wiederkehrt."
Der Gerrit-Engelke-Literaturpreis soll den gleichnamigen, am 21. Oktober 1890
in Hannover geborenen und nach einer schweren Kriegsverletzung am 13. Oktober
1918 als Soldat verstorbenen Dichter ehren. Gerrit Engelke gehört zu jener
Generation, die das in immer schnellerem Tempo sich entfaltende technische Zeitalter
als Beginn einer neuen, höheren Entwicklungsstufe der Menschheit jubelnd
begrüßte. Zusammen mit Männern vom Range eines Heinrich Lersch
verschaffte er, kraftvoll und zukunftsgläubig, der Stimme des Arbeiters,
dessen soziale Not er am eigenen Leibe erfuhr, in der Literatur Gehör.
Engelke glaubte unerschütterlich an die Geburt eines neuen Menschen, der
über alle Standesgrenzen und nationalen Unterschiede hinweg nichts weiter
sein wollte als Mensch, und brachte diese Überzeugung in seiner oft durch
einen hymnischen Grundzug gekennzeichneten Dichtung zum Ausdruck.
Der 1979 von der Landeshauptstadt Hannover gestiftete Preis wird alle zwei Jahre
vergeben, in diesem Jahr zum elften Mal. Das Preisgeld in Höhe 20.000 Mark
wurde von der Stadtsparkasse Hannover gestiftet.