Befragung "Vitale Innenstädte 2020"
Hannovers City bleibt attraktiv
Das Zentrum punktet mit Erreichbarkeit und attraktiver Gastronomie. Aber Corona setzt den Innenstädten zu.
Wichtige Erkenntnisse zur Situation des hannoverschen Zentrums liefert die Erhebung „Vitale Innenstädte“. Demnach wird das Einzelhandelsangebot in Hannovers Innenstadt von City-Besucher*innen mit gut bis befriedigend bewertet, die Attraktivität der Innenstadt insgesamt bekommt die Schulnote 2,7. Wenig überraschend ist, dass seit Beginn der Corona-Krise die Innenstadt weniger besucht wird und weniger Geld für Waren, Gastronomie und Dienstleistungen ausgegeben wird. Zugleich wurde im vergangenen Jahr verstärkt online eingekauft.
Dies sind einige von zahlreichen Erkenntnissen einer Befragung, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IFH Köln im September/Oktober 2020 in 107 deutschen Innenstädten durchgeführt hat. Zum dritten Mal wurde die im zweijährlichen Rhythmus erfolgende Attraktivitätsanalyse auch in der Landeshauptstadt Hannover durchgeführt. Gefragt wurde: Wer besucht die Innenstadt und warum? Wie kaufen die Besucher*innen in der Innenstadt ein, wie informieren sie sich über die City und wie bewerten sie diese? Wie hat die Corona-Krise das Einkaufsverhalten verändert? Bundesweit wurden knapp 58.000 Interviews mit Innenstadtbesucher*innen geführt. In Hannover wurden etwas mehr als 2.000 Personen befragt.
Hannover bekommt hinsichtlich der Attraktivität von Gastronomie, Freizeit und Kultur und Dienstleistungsangebot in der City eine 2. Die Landeshauptstadt hat sich gegenüber 2018 verbessert und steht besser da als der Durchschnitt der anderen Städte dieser Größe. Die Attraktivität des Einzelhandels wurde hingegen schlechter bewertet als vor zwei Jahren und als im Vergleich zu anderen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern ("Ortsgrößendurchschnitt"). "Insgesamt ist die Entwicklung der großen Städte stabil, in einigen Bereichen allerdings haben sie im Schnitt leicht schlechtere Werte erzielt als in den Jahren zuvor. Das hat auch damit zu tun, dass in der Corona-Zeit die Bedeutung der Nahversorgung in kleineren Städten, Stadtteilzentren und Quartieren im Bewusstsein der Menschen zugenommen hat und die Fahrt in die nächste Großstadt weniger wichtig wird", erläutert, Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter des IFH Köln bei der Vorstellung der Befragungsergebnisse.
"Hannovers City steht insgesamt nach wie vor gut da. Gleichzeitig wird durch die Befragung der Handlungsbedarf, der sich durch die Corona-Krise noch verschärft hat, belegt", beurteilt Oberbürgermeister Belit Onay die Ergebnisse. "Ein großes Problem ist der Leerstand von Immobilien. Für die schnelle Nachvermietung sind in erster Linie die Eigentümer*innen in der Pflicht. Bei längerem Leerstand von Schlüsselimmobilien müssen Kommunen aber auch einen verbesserten Zugriff bekommen, um aktiv reagieren zu können und geeignete Nachnutzungskonzepte umzusetzen. Ich begrüße, dass die EU, der Bund und das Land die aktuellen Herausforderungen der Städte erkannt haben und neue Förderprogramme dafür aufstellen. Es ist wichtig, dass wir dazu einen möglichst unbürokratischen und zeitnahen Zugang erhalten", fordert Hannover Stadtoberhaupt. Onay betonte, dass die Stärkung der City ein wesentliches Ziel der Stadtverwaltung ist: "Um ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln, werden wir in diesem Jahr zum angekündigten breit angelegten Innenstadtdialog einladen."
Gut verkehrlich erreichbar
Bei der IFH-Befragung punktete die niedersächsische Landeshauptstadt in der Erreichbarkeit und Bequemlichkeit der City. Bei der ÖPNV-Verbindung und der Erreichbarkeit per Fahrrad bekommt Hannover durchschnittlich eine Note von 1 bis 2. Auch bei den Kriterien "Erreichbarkeit mit Pkw/Motorrad" und "Parkmöglichkeiten" schneidet Hannover besser ab als 2018 und als der Durchschnitt der großen Großstädte. In der Kategorie „Ambiente und Erlebnis" der Innenstadt (unter anderem: Fassaden, Sehenswürdigkeiten, Sauberkeit) liegt Hannover fast durchweg im Bereich der Note "befriedigend" und hinter den Städten vergleichbarer Größe und hinter den Ergebnissen von 2018.
Das wichtigste Motiv, weshalb Menschen die Innenstadt Hannovers besuchen, ist nach wie vor der Einkauf. 71,9 Prozent der Befragten haben das angegeben. Damit erzielt die Stadt einen deutlich höheren Wert als der Ortsgrößenschnitt (60,4 Prozent). Die Gastronomie kommt an zweiter Stelle der Gründe, die hannoversche City zu besuchen (39,1 Prozent).
Das Einkaufsmotiv dominiert bei Jung und Alt: Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Städten in Hannover kaum. Die gastronomischen Angebote locken hingegen eher jüngere als ältere Menschen in die hannoversche City. Hinsichtlich des Motivs "Gastronomie" nennen 46 Prozent der unter 26-Jährigen dies als Grund für den Innenstadtbesuch, während es 37 Prozent der über 50-Jährigen sind.
Rückschlag durch Corona-Krise
47,2 Prozent der Befragten haben angegeben, Hannovers Innenstadt seit Beginn der Corona-Krise seltener besucht zu haben. Weniger Geld für Waren, Gastronomie und Dienstleistungen ausgegeben haben 55,9 Prozent. Den Online-Handel stärker genutzt haben 39,7 Prozent. In allen drei Kriterien liegt Hannover über dem Durchschnitt der Städte vergleichbarer Größe.
IFH-Experte Preißner berichtete zudem darüber, dass im vergangenen Jahr die Passant*innen-Ströme auch zwischen den beiden Lockdown-Phasen spürbar zurückgegangen sind. Von Mai bis Oktober wurden in der Georgstraße 29 Prozent weniger Menschenbewegungen gemessen als 2019. Der Rückgang ist geringfügig positiver als im Durchschnitt von 20 an den „Vitalen Innenstädten 2020“ teilnehmenden Städten (minus 33 Prozent). Im September war der Verlust in der Besuchsfrequenz mit durchschnittlich 9 Prozent in der Georgstraße noch vergleichsweise milde. Am letzten Freitag und Sonnabend im November ("Black Friday" und erster Advent) war ein deutlicher Frequenzrückgang festzustellen: minus 42 Prozent am Freitag und minus 54 Prozent am Sonnabend vor dem ersten Advent.
"Die Befragung macht deutlich, dass eine grundlegende Veränderung und strukturelle Weiterentwicklung der Innenstädte erforderlich ist. Die Fokussierung auf den Einzelhandel muss einer Multifunktionalität weichen", betont Sabine Tegtmeyer-Dette, Hannovers Erste Stadträtin und Wirtschafts- und Umweltdezernentin. „Wir werden daran arbeiten, zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen und mehr Grün die Aufenthaltsqualität zu stärken sowie mehr Freizeit- und Kulturangebote zu ermöglichen. Zudem werden wir zusammen mit dem Handel den Erlebnischarakter des Einkaufs erhöhen müssen. Bei der Umsetzung all dieser Maßnahmen bedarf es finanzieller Unterstützung durch Land und Bund."
"Hannover ist attraktiv und der Handel in der Stadt ist nach wie vor der Königsmacher, also der Hauptgrund für einen Besuch in der Innenstadt", sagt Monika Dürrer, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Hannover, zu den Ergebnissen. Mit Blick auf die Folgen der Corona-Krise warnt sie: "Wenn der Lockdown für den Handel noch lange anhält, wird es ernst. Die Akteur*innen dieser Wohlfühlorte fühlen sich gerade jetzt sehr von der großen Politik im Stich gelassen. Stirbt der Handel, stirbt die Stadt.“ Dürrer nennt vier wesentliche Ansatzpunkte, um das drohende Szenario abzuwenden: „Wir müssen die Attraktivität der Innenstadt erhöhen, uns auf die verschiedenen Zielgruppen fokussieren und die digitale Infrastruktur in der Innenstadt optimieren. Und schließlich geht das nur gemeinsam mit allen in der City Agierenden."