Wir erleben zurzeit eine digitale Revolution, die die Welt auf den Kopf zu stellen scheint – nicht nur technisch und ökonomisch, sondern auch kulturell. Nicht wenige sprechen von der größten Transformation der bisherigen Menschheitsgeschichte. Die Digitalisierung verändert unseren Alltag rasant und prägt bereits heute unser Leben. Google zum Beispiel zählt täglich 5,6 Milliarden Suchanfragen. Mehr als eine Milliarde Menschen sind regelmäßig auf Facebook aktiv, weltweit hat jeder Vierte bereits ein Handy.
Auch die Seniorinnen und Senioren werden sich zusehends auf eine digitalisierte Welt einstellen müssen, denn die Verweigerung der Auseinandersetzung mit den Chancen der digitalen Medien kann schnell zur Exklusion führen. Diese Botschaft ist inzwischen auch bei vielen Älteren angekommen. So stieg laut Media Perspektiven 2019 der Anteil der über 70-Jährigen, die das Internet gelegentlich nutzen von unter zehn Prozent im Jahr 2005 auf über 65 Prozent an. Mittlerweile Chatten, Mailen oder Skypen viele von ihnen regelmäßig mit dem Smartphone, Tablet oder Laptop.
Doch nicht alle Seniorinnen und Senioren sind von den neuen Medien begeistert. Die Vorbehalte sind immer noch weit verbreitet. Eine nicht zu unterschätzende Zugangsbarriere liegt in der Übernahme eines negativen Altersbildes. Die damit verbundene Geringschätzung der eigenen Fähigkeiten wirkt wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung und führt zur Bestätigung der Selbstvorhersage: „Ich kann das nicht“. Hier gilt es, das Zutrauen in die eigene Lernfähigkeit Älterer zu stärken und diskriminierende Altersbilder zu korrigieren. Denn der Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ ist längst wissenschaftlich widerlegt.
Mit der Digitalisierung sind auch für eine älterwerdende Gesellschaft erhebliche Vorteile verbunden: Die Vernetzung von Geräten zu Systemen, die Automatisierung von Tätigkeiten und Dienstleistungen, die Entlastung von Personen durch digitale Technologien eröffnen auch Älteren neue Handlungsmöglichkeiten und Freiräume. Insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und für solche, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters immer mehr Kontakte zu Gleichaltrigen einbüßen, kann das Internet die vermisste Kommunikation ermöglichen.
Selbstbestimmung im Alter erfordert heute auch den souveränen Umgang mit digitalen Technologien. Durch passende Rahmenbedingungen und geeignete Maßnahmen in den Kommunen ist deshalb die digitale Teilhabe älterer Menschen zu fördern. Letztlich aber ist jede und jeder Einzelne gefragt. Staat und Kommune haben zwar eine Bringschuld, diese ersetzt aber die Holschuld der Seniorinnen und Senioren nicht.
Doch auch dies gilt es festzuhalten: Auch zukünftig gibt es das Recht auf ein Leben ohne Internet. Einen Fahrschein zu erwerben, einen Personalausweis zu beantragen, eine Geldüberweisung vorzunehmen oder eine Einkommenssteuererklärung abzugeben – das muss auch künftig ohne die digitale Technik möglich sein.
Autor: Jens-Peter Kruse