09.03.2015 - Am Vormittag kam es auf dem Gelände einer Firma für Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten an Eisenbahnwaggons, an der Straße "Am Hafen" in Hannover-Misburg, zu einer chemischen Reaktion in einem Kesselwagen.
Aus ungeklärter Ursache begannen circa 2.000 Liter stark ätzende sowie leicht entzündliche Acrylsäure zu polymerisieren (Polymerisation = Verkettungsprozess im eigenen Produkt). Durch diese Wärme erzeugende (exotherme) Reaktion kam es in dem Kesselwagen zu einem Temperatur- und Druckanstieg. Es bestand erhebliche Brandgefahr. Durch Kühlung des Waggons, Öffnen der Domdeckel sowie Einleiten von Wasser bannte die Feuerwehr diese Gefahren. Verletzt wurde niemand. Die umliegende Bevölkerung war zu keiner Zeit akut gefährdet.
Einsatzverlauf
Um 11:40 Uhr am Morgen des 9. März meldete die Firma für Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten für Waggons, dass es in einem Kesselwagen zu einer chemischen Reaktion mit Acrylsäure gekommen sei. Daraufhin wurde ein Großaufgebot der Feuerwehr Hannover zur ABC-Gefahrenabwehr in Marsch gesetzt. Alarmiert wurden meherere Löschzüge der Berufsfeuerwehr, die Spezialeinsatzkräfte der ABC-Gefahrenabwehr sowie mehrere Ortsfeuerwehren der Freiwilligen Feuerwehr. Beim Eintreffen der ersten Einsatzkräfte stand ein Kesselwagen mit einem Fassungsvermögen von 70 Kubikmeter vor der Instandhaltungshalle auf dem Firmengelände. Nach Auskunft des betriebszugehörigen Chemikers sollten sich rund 2.000 Liter Acrylsäure in dem Waggon befinden. Als Anzeichen der zunehmenden exothermen Reaktion war erkennbar, dass die Überdruckeinrichtungen angesprochen hatten und Acryldämpfe austraten.
Die Feuerwehr begann umgehend mit der Kühlung des Kesselwagens sowie mit dem Niederschlagen der gut wasserlöslichen Dämpfe mit mehreren Strahlrohren und so genannten Düsenschläuchen. Zudem wurden umfangreiche Messungen eingeleitet.
Im weiteren Verlauf gingen Feuerwehreinsatzkräfte unter Chemikalienschutzanzügen zu dem Waggon vor, um zur weiteren Druckentlastung die Domdeckel sukzessive zu öffnen. Sowohl diese Druckentlastungs- als auch die massiven Kühlmaßnahmen zeigten gegen 17:30 Uhr soweit Wirkung, dass zur endgültigen Unterbrechung der Polymerisation Wasser über einen der geöffneten Domdeckel eingeleitet werden konnte.
Weiteres Vorgehen
Die Temperatur der mit Wasser verdünnten Acrylsäure in dem Kesselwagen wurde durch mehrere Messungen überwacht. Um 20:15 Uhr entschied die Einsatzleitung der Feuerwehr aufgrund des stabilen Zustandes des Wasser-Säuregemisches, dass die Einsatzmaßnahmen abgeschlossen sind und die beteiligten Einsatzkräfte mit dem Rückbau der Gerätschaften beginnen können. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Feuerwehr Hannover mit mehr als 100 Einsatzkräften und 45 Fahrzeugen rund acht Stunden im Einsatz.
Für die Entsorgung des Acrylsäure-Wassergemisches wird durch die betroffene Firma ein Entsorgungsunternehmen beauftragt.
Die umfangreichen Messungen haben ergeben, dass zu keiner Zeit eine Gefährdung der umliegenden Bevölkerung und Betriebe bestanden hat. Verletzt wurde bei diesem Einsatz glücklicherweise niemand, ein größerer Sachschaden konnte verhindert werden.
Kontrollmessungen durch die Feuerwehr wurden noch in der Nacht sowie am Dienstag in den frühen Morgenstunden durchgeführt. Die Ergebnisse haben gezeigt, daß die Maßnahmen der Feuerwehr zur Gefahrenabwehr erfolgreich waren.
Hintergrundinformationen Acrylsäure
Acrylsäure oder Propensäure gehört zu den ungesättigten Carbonsäuren. Sie ist eine farblose, mit Wasser mischbare bei Raumtemperatur flüssige chemische Verbindung mit stechendem, essigähnlichem Geruch. Acrylsäure wirkt stark korrodierend und ist entzündlich. Acrylsäure neigt stark zur Polymerisation unter erheblicher Wärmeentwicklung. Sie bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt zwischen 48-55 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 3,9 Vol.-% als untere und 19,8 Vol.-% als obere Explosionsgrenze. Die Zündtemperatur beträgt 395 °C. Acrylsäure wird zum Beispiel für die Polymerisation zu Superabsorbern (Herstellung von Windeln etc.) verwendet.