Maßnahmen gegen Corona

Lockerungen: Was ist für Kinder jetzt besonders wichtig?

"Mama, Papa, los geht’s!?" – Über Licht- und Schattenseiten der Lockerungen der Coronamaßnahmen.

Nichts überstürzen – noch gilt die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken

Ministerpräsident Stephan Weil stellte am 4. Mai den Stufenplan zur Lockerung der Coronabeschränkungen vor. Viele reagierten erleichtert aber auch irritiert: Was gilt wo, ab wann und mit welchen Einschränkungen? Was bereits für Erwachsene verwirrend ist, ist für Kinder oft überfordernd, beängstigend und frustrierend. So erleben Kinder abstrakte Zusammenhänge und Regeln oft als unberechenbar. Das sind dann Fragen, die Kinder an die Eltern richten:

  • "Warum gilt hier dies aber dort das?"
  • "Wieso dürfen die Anderen in die Schule und ich nicht?"
  • "Wieso darf ich nicht mit den Kindern dort spielen?"
  • "Wo sind eigentlich Oma und Opa?"

Simon König ist als Psychologe in den Familien- und Erziehungsberatungsstellen der Region Hannover tätig. Die drei Teams möchten Familien dabei unterstützen, während der Lockerungen den Überblick zu behalten, die Perspektive der Kinder einnehmen zu können und Lösungen für mögliche Konflikte zu finden.

Was ist für Kinder jetzt besonders wichtig?

Für die gesunde Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern ist ein "sicherer Hafen" von besonderer Bedeutung. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin der Region Hannover, Sonja Walkling, berichtet in ihrem Artikel "Die Welt in Mamas und Papas Gesicht erfahren und verstehen lernen... Wie Eltern ihre Kleinsten in Zeiten von Corona unterstützen können?", dass es für Kleinkinder beruhigend ist, wenn sie sich bei ihren Bezugspersonen rückversichern können. Darüber hinaus macht sie darauf aufmerksam, dass gerade jetzt Essens- und Zubettgehzeiten, Abendrituale mit Geschichten und Kuscheln, beschränkter Medienkonsum etc. Sicherheit und Orientierung bieten können:

Eltern als sicherer Hafen

Die Welt in Mamas und Papas Gesicht erfahren und verstehen lernen

Wie Eltern ihre Kleinsten in Zeiten von Corona unterstützen können. 

lesen

Mit zunehmendem Alter wird für Kinder das Erleben von Sinn, das Verstehen von Zusammenhängen, das selbstständige Gestalten des Lebens sowie die Bewältigung von Herausforderungen bedeutsam. Der renommierte Soziologe Aron Antonovski sieht in diesen Merkmalen die Grundlagen für die menschliche Gesundheit. Auch in der Arbeit in den Beratungsstellen ist immer wieder zu erleben, wie wichtig es für die Entwicklung von Kindern ist, Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit zu spüren. Hierfür brauchen sie verlässliche Unterstützung. So hilft es Kindern, wenn Eltern Ihnen die Welt erklären, sie herausfordern und bei der Lösung von Problemen unterstützen.

Was bedeutet das konkret?

Bei so vielen Änderungen in so kurzer Zeit ist es verständlich, wenn es Kindern schwerfällt, die verschiedenen Regeln sofort zu verstehen und einzuhalten. Hilfreich kann es sein, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass das Bedürfnis des Kindes, anderen nahe zu sein und mit diesen zu spielen, ganz natürlich ist. Es lernt in diesen Situationen viel über sich, den Anderen, über Beziehungen und die Welt. So dürfen sich Kinder auch mal darüber ärgern, wenn ihr Spielfluss durch die Abstandsregeln unterbrochen wird. Gelingt es den Eltern zugewandt zu bleiben und die Regeln ruhig zu erklären, erlebt das Kind Anerkennung und Orientierung. Reagieren die Eltern hingegen zu streng, könnte sich das Kind schnell überfordert fühlen, ärgerlich und traurig werden. Nehmen Eltern dies zusätzlich als Angriff gegen sich selbst wahr, kann die Situation schnell eskalieren. Hier ist es wichtig, den Druck rauszunehmen und zu versuchen, die Perspektive des Kindes zu berücksichtigen. Die Psychologin Esther Quindt beruhigt in ihrem Artikel "Elternsein in der Corona Krise: vom Druck alles richtig zu machen" Eltern im Umgang mit den aktuellen Anforderungen und macht Ihnen Mut: "Wenn Eltern ihren anspruchsvollen Alltag meistern, ist das auch schon eine Leistung, auf die sie stolz sein können.":

Tipps für Eltern

Elternsein in der Corona-Krise: vom Druck, alles richtig zu machen

Das Netzwerk Familienberatung rät zu Großzügigkeit mit sich selbst

lesen

Was ändert sich konkret?

Einige Lockerungen wurden bereits umgesetzt. Eltern und Kinder dürfen wieder Tierparks, Museen und Autokinos besuchen. So können Kinder beispielsweise im Zoo ihre Lieblingstiere wiedersehen, etwas über die Welt lernen und sich über ihr Erleben mit den Eltern austauschen. Dies stärkt die Verbundenheit mit den Eltern, ermöglicht Neues zu lernen und stärkt somit das Selbstbewusstsein. Auch Outdoorsportanlagen (unter Berücksichtigung der zwei Meter Abstandsregeln) sowie Outdoorspielplätze für Kinder bis maximal 12 Jahre (unter Aufsicht einer volljährigen Person, Wahrung der Abstandsregelung) haben geöffnet. Dies ermöglicht Kindern und Erwachsenen für mehr körperlichen Ausgleich und Ausgelassenheit zu sorgen.  

Am elften Mai öffneten Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie Restaurants und Cafés. Eltern können so wieder vermehrt individuellen Interessen nachgehen, indem sie sich beispielsweise mit Freunden auf einen Kaffee treffen, mit der Partnerin oder dem Partner essen gehen oder sich weiterbilden. Dieser Ausgleich könnte die Beziehung zu Partner bzw. Partnerin sowie indirekt zu den Kindern entlasten und neu beleben. So ist es für Kinder wichtig zu erleben, dass die Eltern auch für sich sorgen können und es ihnen in ihren Beziehungen gut geht.  

Ab 25. Mai dürfen Hotels, Pensionen, Jugendherbergen, alle Outdoorfreizeiteinrichtungen und Freibäder unter Einhaltung von Auflagen öffnen. Dies erweitert nochmals die Möglichkeiten von Eltern und Kindern, gewohnten Hobbys nachzugehen. Wichtig ist, weiter auf Rhythmus im Alltag zu achten und die Kinder im Blick zu behalten. Folgende Fragen sind hilfreich:

  • Wie geht es den Kindern wohl mit der neuen Situation?
  • Was könnten sie benötigen?
  • Wie kann ich sie dabei unterstützen?
  • Was brauche ich?

Auch längerfristige Ausflüge sind wieder möglich und der ersehnte Urlaub kann evtl. nachgeholt werden, um sich von den letzten Monaten zu erholen.

Des Weiteren öffnen die Schulen Schritt für Schritt. Für Kinder bedeutet dies eine enorme Umstellung. So müssen sie sich wieder an die neue Tagestruktur gewöhnen und sind mit vielen neuen Fragen konfrontiert:

  • Wie geht es meinen Freunden?
  • Werde ich noch gemocht?
  • Wie läuft das mit den Zeugnissen?
  • Wie soll ich mit dem Mundschutz umgehen?

Auch hier ist es wichtig, dass Eltern ihre Kinder im Blick behalten, Interesse zeigen, Orientierung bieten und sie unterstützen.

Umgang mit den Folgen der Coronamaßnahmen

Für viele Familien war die Zeit der Coronamaßnahmen eine wertvolle Erfahrung, sie sind näher zusammengerückt, haben viel Zeit miteinander verbracht, ohne Schul- oder Freizeitstress ihre Beziehungen verbessert. Sogar manche Streitigkeiten haben sich in der Zeit der Beschränkungen aufgelöst. Viele Menschen waren in den letzten Monaten aber auch mit sozialer Isolation, Furcht um die Gesundheit oder Sorgen um die berufliche Zukunft konfrontiert. Die damit verbundenen Gefühle von Überforderung und Frustration erhöhen häufig das Risiko von Streitigkeiten, Trennungen oder gar Gewalt in den Familien. Da Betroffene häuslicher Gewalt sich oft in starker Abhängigkeit von den Tätern befinden, gehen wir davon aus, dass die erheblichen Folgen für Betroffene und vor allem für Kinder erst mit einiger Verzögerung deutlich werden. Daher ist es wichtig, dass Angehörige, Nachbarn, Freunde, Eltern der Freunde, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer Kinder im Blick behalten. Ziehen Kinder sich zurück, wirken sie depressiv, unkonzentriert, ängstlich, aggressiv, zwanghaft, wirken sie vernachlässigt, haben Schlafstörungen oder ein geringes Selbstwertgefühl, zeigen Essstörungen oder Sprachstörungen? Wichtige Informationen zum Thema häusliche Gewalt und wie Betroffene damit umgehen können finden Sie in dem Artikel: „Häusliche Gewalt in Zeiten der Coronamaßnahmen“:

Eskalation vermeiden

Häusliche Gewalt in Zeiten der Coronamaßnahmen

Soziale Isolation, Furcht um die Gesundheit oder Sorgen um die berufliche Zukunft bedeuten für viele Überforderung und Stress. Eltern, die bisher Schwieri...

lesen

(Text: Simon König. Veröffentlicht am 22. Mai 2020)

Für alle Fragen rund um das Zusammenleben in der Familie, zur Erziehung, zu Konflikten in der elterlichen Paarbeziehung oder zu Themen von Jugendlichen stehen die Familien- und Erziehungsberatungsstellen zur Verfügung.

Familien- und Erziehungsberatungstelle Burgdorf

Telefon 0511 616 21590

Familien- und Erziehungsberatungsstelle Neustadt

Telefon 0511 616 26300

Familien- und Erziehungsberatungsstelle Ronnenberg

Telefon 0511 616 23630