Seit 2015
Die Maßnahme wurde 2015 erstmals durchgeführt und seit 2018 maßgeblich über Zuwendungen des Landes Niedersachsen mitfinanziert. Nun fand sie bereits zum siebten Mal in Folge statt. Die Fortbildung wird jährlich als Präsenzseminar mit Online-Modulen im Deutschen Taubblindenwerk in Hannover-Kirchrode durchgeführt und kann nach 11 Monaten mit einem Zertifikat zur „Qualifizierten Taubblindenassistenz“ abgeschlossen werden. Auf diesem Weg konnten mittlerweile 72 Personen zur TBA qualifiziert werden. In diesem Jahr kamen sieben weitere hinzu.
Die diesjährige Qualifizierungsmaßnahme startete im Februar 2022. An die anfängliche Einführungswoche schließen sich Intensivwochen und monatlich Wochenend-Seminare an, um das frisch Erlernte zu vertiefen und das theoretische Wissen mit praktischen Erfahrungen zu verbinden. Ein wesentlicher Bestandteil der Weiterbildung ist daher auch die Selbsterfahrung und der direkte Austausch mit selbst betroffenen Menschen: Wie ist es tatsächlich, nichts hören und gleichzeitig nichts sehen zu können?
Die Qualifizierung: Theorie und Selbsterfahrung gehen Hand in Hand
In angeleiteten Unterrichtseinheiten wird diese Erfahrung erprobt und die Wahrnehmung für die Bedarfe von Menschen mit Taubblindheit geschärft. Im Unterricht „Fachpraxis" werden unter anderem Spaziergänge oder Einkäufe in verschiedenen Geschäften durchgeführt und im Nachgang theoretisch aufgearbeitet. In „Orientierung und Mobilität“ werden unter Simulation die Führtechniken (die „Sehende Begleitung“) in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im ruhigen Wohngebiet, in der Stadt oder beim Einkaufen intensiv geübt. Denn eines ist ganz klar: Nur wer sich empathisch und auf Grundlage von breitem Wissen und Verständnis der Aufgabe nähert, kann ein gutes „Hilfsmittel“ für eine taubblinde Person sein.
Das „flexible Hilfsmittel“: Taubblindenassistenzen ersetzen Augen und Ohren
Seit dem 30. Dezember 2016 ist Taubblindheit als Behinderung eigener Art anerkannt, deren Besonderheit weit über die Addition der beiden fehlenden Fernsinne hinausgeht.
Menschen mit Taubblindheit/ Hörsehbehinderung sind dauerhaft von ihrer Umwelt isoliert. Bezüge zur personalen und sachlichen Umwelt herzustellen ist schwierig und eine behinderungsbedingte Isolation in allen Lebensbereichen oftmals die Folge. Durch ihre doppelte Sinnesbeeinträchtigung sind betroffene Menschen ein Leben lang auf Hilfen angewiesen.
Um die Isolation zu durchbrechen, nutzen mittlerweile immer mehr sinnesbeeinträchtigte Menschen das „flexible Hilfsmittel“ Taubblindenassistenz, das ihnen – zumindest zeitweise – Augen und Ohren ersetzen kann. Durch das enge Zusammenwirken von der taubblinden Person als Auftraggeber und ihrer Assistenz entwickelt sich bestenfalls ein Vertrauensverhältnis und ein Miteinander auf Augenhöhe.
Wachsendes Bewusstsein – steigender Bedarf
Der Bedarf an TBA ist hoch. Vor allem da, wo das Ambulant Betreute Wohnen ausgebaut wird, steigt die Nachfrage. Innerhalb der Netzwerke von Menschen mit Taubblindheit werden die Informationen weitergetragen und sorgen für vermehrten Beratungsbedarf. Hinzu kommt: Die Bedarfe taubblinder Menschen sind in den letzten Jahren vermehrt in das öffentliche Bewusstsein durchgedrungen.
Durch die Beratungs- und Aufklärungsarbeit – unter anderem der im Deutschen Taubblindenwerk ansässigen ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderungen (EUTB®) erfahren immer mehr Ratsuchende von den Leistungen der Eingliederungshilfe. So können immer mehr Anträge gestellt und bewilligt werden, die die dringend benötigte soziale Teilhabe sichert.
Und nicht zuletzt ist durch die seit 2015 stattfindenden Qualifizierungen des Deutschen Taubblindenwerks ein breites Netzwerk an TBAs entstanden. Ziel ist es, dass künftig noch mehr taubblinde Menschen von dieser positiven Entwicklung profitieren. Auch aus diesem Grund ist die Qualifizierung ein wichtiger Bestandteil für das gesamtgesellschaftliche Ziel der Teilhabe von Menschen mit Behinderung.
Bewerbungen laufen
Die nächste Qualifizierungsmaßnahme startet Anfang 2023. Die Bewerbungen für die Teilnahme laufen bereits. Wer sich für die Qualifizierung zur TBA Interessiert, kann sich auf der Website des Deutschen Taubblindenwerks informieren.
Weitere Informationen zum Thema Taubblindenassistenz
Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist es eine zentrale Aufgabe von Einrichtungen der Eingliederungshilfe, soziale Teilhabe zu fördern und Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu bieten.
Ein wichtiger Schritt für soziale Teilhabe sind passgenaue Hilfen für Menschen mit Behinderung. Diese Hilfen können auch in Form von professioneller Assistenz beantragt werden. Eine gelungene soziale Teilhabe bedarf einer Assistenzleistung von mindestens 20 Stunden pro Woche. So gibt es seit einiger Zeit Assistenzen, die speziell auf die Bedarfe von Menschen mit Taubblindheit oder einer Hörsehbehinderung zugeschnitten sind.
Die Taubblindenassistenzen (TBA) bieten im Rahmen der Eingliederungshilfe oder für Selbstzahler ihre Leistungen auf selbstständiger Basis an. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe: Taubblindenassistenzen haben den Auftrag, Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung durch Begleitung und Unterstützung in Kommunikation, Information sowie Orientierung und Mobilität eine größere Selbstständigkeit und damit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dabei kann eine qualifizierte Taubblindenassistenz betroffenen Menschen Hilfe in alltäglichen Situationen geben, zum Beispiel durch Begleitung zu Arztbesuchen und Veranstaltungen, bei Behördengängen oder Bankgeschäften, aber auch in der Freizeit und auf Reisen unterstützen. Ganz nach den individuellen Teilhabewünschen, denn die Bedürfnisse sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
(Veröffentlicht am 1. Dezember 2022)