Fulgurit-Halde nach der Sanierung
Deckel drauf und jetzt vergessen
Um es gleich vorweg zu nehmen: die Fulgurit–Halde wird nicht vergessen. Dazu steckt in dieser Altablagerung doch zu viel Asbest drin. Zwar wird durch die 2016 abgeschlossene Abdichtung der Deponie im Wunstorfer Ortsteil Luthe der Arbeitsaufwand deutlich geringer als in den Vorjahren, aber Restarbeiten, die Pflege der Bepflanzung, die Überwachung und regelmäßige Grundwassermessungen werden den Fachbereich Umwelt der Region Hannover weiterhin beschäftigen.
Der Reihe nach:
Einer der wichtigsten Produktionsstandorte für Asbestzementerzeugnisse in Deutschland war die 1912 gegründete Firma Fulgurit in Wunstorf-Luthe. Während der Zeit zwischen den 1930er Jahren und dem Verbot der Asbestverwendung bzw. der Schließung des Fulgurit-Werkes Anfang der 1990er Jahre wurden über 160.000 Kubikmeter asbestzementhaltige Abfälle aus der Produktion auf einer etwa 20.000 Quadratmeter großen Teilfläche des Werkes abgelagert. Überwiegend handelt es sich dabei um Asbestzementschlämme, die heute mehr oder weniger verfestigt sind.
Die Ablagerung ist keine Halde im üblichen Sinn, auf die festes Material transportiert und abgekippt wurde, denn sie besteht aus aufeinander aufgebauten Spülteichen, in die die bei der Maschinenreinigung bei Produktionswechseln oder -pausen anfallenden Wässer eingeleitet wurden. Nach der Stilllegung der Teiche wurde in den 1980er Jahren versucht, die inzwischen entstandene Halde mit Hilfe von Spritzmulch zu begrünen. Es bildete sich auch langsam eine Vegetationsschicht, in der aber immer mehr Birken Oberhand gewannen. Da ihre Wurzeln in dem stark alkalischen Asbestzementschlamm keinen ausreichenden Halt fanden, stürzten sie nach einiger Zeit um und rissen dabei die ohnehin nur sehr dünne Humusschicht auf.
Gefährdungslage
Neben der Gefahr der Verwehung von Asbestfasern hat Sickerwasser aus der Halde auch zu einer deutlichen pH-Wert-Erhöhung im Grundwasser (bis pH 13) geführt und hierdurch zu einer Lösung des natürlich im kreidezeitlichen Mergel vorhandenen Arsens. Hinzu kam auf dem Haldengelände ein Ölschaden, der sich auf die Zeit vor 1960 datieren ließ, aber dessen Ursache nicht geklärt werden konnte. Aufgrund dieser Gefährdungslage bestand für die Region Hannover dringender Handlungsbedarf. Die damalige Grundstückseigentümerin (die mittlerweile insolvente Eichriede Projekt GmbH) beabsichtigte die Sanierung des Geländes durch den Abtransport des Materials auf eine zugelassene Deponie durchzuführen. Diese Versuche scheiterten jedoch an politischen Widerständen an den Standorten der Deponien und in Wunstorf. Immer wieder wurde dabei die Möglichkeit der Faserfreisetzung beim Transport als Argument gebraucht. Nach den gescheiterten Versuchen entschied sich die Region Hannover 2012 zur Sicherung der Halde vor Ort.
Sanierungsplanung
Im Zuge der Sanierungsplanung wurden verschiedene Lösungen in Betracht gezogen, die in einem Expertenhearing öffentlich diskutiert wurden. Auf der Basis dieser Diskussion beschloss die Region Hannover 2014 die Sanierung der Halde durch eine Oberflächenabdichtung mittels einer Kunststoffdichtbahn (KDB) in Anlehnung an die Deponieverordnung umzusetzen.
Wesentliche Bestandteile waren dabei:
- Umlagerungen zur Herstellung flacherer Böschungen
- Oberflächenabdichtung mittels Ausgleichsschicht, Kunststoffdichtbahn, Dränagematte und Rekultivierungsschicht
- Gabionen als Stützelemente an der Nord-, Nordwest und Südseite
- Ausbau des Mineralölschadens
- Überwachung der Faserfreisetzung.
Um eine möglichst große Akzeptanz für die Sanierung zu schaffen, gab es verschiedene Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit wie Bürgerversammlungen, Broschüren, Informationstafeln an der Baustelle und die regelmäßige Veröffentlichung der Ergebnisse der Asbestfasermessungen im Internet. Außerdem stand während der Bauzeit ein E- Mail-Postfach (fulgurithalde@region-hannover.de) für Anfragen aus der Bevölkerung zur Verfügung.
Durchführung der Sanierung
Die eigentlichen Sanierungsarbeiten begannen mit der Abholzung der Halde Ende Januar 2016. Für den Mineralölschaden wurde ein spezielles Aushubverfahren gewählt, das es ermöglicht, auch in größerer Tiefe und im Grundwasser Boden auszutauschen. Hierzu wurden Stahlwaben in den Untergrund eingerüttelt, in denen dann der Boden ausgetauscht wurde. Leider übertrugen sich die Vibrationen auch auf die angrenzende Adolph-Oesterheld-Straße und führten zu Schäden an der Fahrbahndecke der Kreisstraße, die nach den Auskofferungsarbeiten entlang der Straße wieder behoben werden mussten. Parallel zu den Aushubarbeiten wurde mit der Neuprofilierung der Halde begonnen. Die sehr steilen Böschungen wurden abgeflacht und die Asbestzementscherben aus dem Vorfeld der Halde umgelagert. Ebenfalls begonnen wurde mit dem Bau der Gabionen. Die Verlegung der Kunststoffdichtbahnen erfolgte ab Juni 2016. Die abschließenden Arbeiten in 2016 stellten das Setzen eines Zaunes, die Herstellung des Randgrabens und der Bau des Versickerungsbeckens dar, über das das auf der Halde anfallende nicht belastete Wasser gesammelt und versickert wird.
In 2017 werden die endgültige Begrünung der Halde sowie der Bau der Grundwasser-Messstellen für das Grundwasser-Monitoring erfolgen.
Immissionsschutz
Um überwachen zu können, ob bei der Baumaßnahme Fasern freigesetzt werden, wurden an den Baufortschritt und die Wetterlage angepasste Messungen von Asbestfasern in der Luft durchgeführt.
Diese Messungen unterteilten sich in drei Gruppen:
- Messungen im Umfeld (vier Messpunkte im weiteren Umfeld der Halde)
- Messungen am Rand des Baufeldes (fünf Messpunkte am Haldenfuß)
- Arbeitsplatzmessungen (in Abstimmung mit dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt).
Grundsätzlich gilt bei Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien für die Faserfreisetzung ein Minimierungsgebot. Für den Umgebungsschutz gibt es jedoch keine verbindlichen Regelungen. Die TRGS 519 (Technische Regeln für Gefahrstoffe – Asbest; Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten) bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Asbestsanierungen im Innenraum. Für die abgeleitete Luft aus Sanierungsbereichen bei der Gebäudesanierung gibt diese einen Grenzwert von 1.000 Fasern pro Kubikmeter vor. Nach einer Asbestsanierung in einem Gebäude muss die Faserkonzentration im Rahmen der Freimessung vor der Wiedernutzung unter 500 Fasern pro Kubikmeter liegen. Das Messkonzept für die Sanierung der Fulgurit-Halde sah vor, den Wert von 500 Fasern pro Kubikmeter am Haldenfuß möglichst nicht zu überschreiten.Um Faserfreisetzungen bei den Arbeiten zu unterbinden, wurde die Freilegung von asbestbelasteten Material auf das Nötigste begrenzt und die Fahrzeugführer angewiesen, besonders staubende Arbeitsweisen möglichst zu unterlassen. Wurde asbesthaltiges Material freigelegt, so war es umgehend mit Boden abzudecken. Daneben wurden auf der Baustelle auch Faserbindemittel und Geotextil vorgehalten und eingesetzt, um Abdeckmaßnahmen durchzuführen. Um die Staubbildung insgesamt (also nicht nur in Bezug auf Asbestfasern) so gering wie möglich zu halten wurden freie Flächen bei trockener Witterung befeuchtet.
Insgesamt wurden über 750 Fasermessungen während der Sanierung durchgeführt, 206 davon im Umfeld (Wunstorf, Luthe) und 316 am Zaun zur Baustelle. Hinzu kamen noch Arbeitsplatzmessungen und einige an Feststoffproben. Im Umfeld lagen die Messwerte, abgesehen von einer Ausnahme maximal im Rahmen der allgemein üblichen Belastung (50 bis 150 Fasern pro Kubikmeter). Berechnet man das Jahresmittel (dabei geht die Nachweisgrenze ein, wenn keine Fasern festgestellt werden) so ergeben sich für die einzelnen Messstationen Werte zwischen 36 und 41 Fasern pro Kubikmeter. Der Zielwert der LAI (Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz) für ein Jahresmittel von 220 Fasern pro Kubikmeter wurde klar eingehalten.
Bei den Messungen am Haldenfuß zeigten sich höhere Belastungen. Diese waren jedoch nur teilweise den durchgeführten Arbeiten geschuldet, da in dem Bereich insgesamt eine erhöhte Faserkonzentration vorliegt, die ihre Ursache in dem jahrzehntelangen Umgang mit Asbest auf den umliegenden Flächen hat. Der selbstgesteckte Zielwert von 500 Fasern pro Kubikmeter wurde nur zweimal überschritten. Als Jahresmittel ergaben sich am Haldenfuß für die einzelnen Messpunkte Werte zwischen 92 und 112 Fasern pro Kubikmeter. Die Berechnung eines Jahresmittelwertes über alle Messpunkte ergibt einen Wert von 105 Fasern pro Kubikmeter. Auch hier wurde die LAI-Empfehlung eingehalten, obwohl diese ausdrücklich nicht für Sanierungsmaßnahmen, sondern als bundesweiter Zielwert für Bereiche ohne fabrikations- oder sanierungsbedingt erhöhte Belastungen gilt.
Als Fazit bleibt daher der Schluss, dass die Maßnahmen zur Verminderung von Faserfreisetzungen im gewünschten Umfang gegriffen haben.
Kosten
Da die verursachende Firma und der Grundstückseigentümer insolvent sind, werden die Kosten der Maßnahme im Zuge einer Ersatzvornahme von der Region Hannover getragen. Die aktuelle Phase (Detailplanung und Sanierung) wird vom Land Niedersachsen gefördert. Die Kosten betragen bisher ca. 3,0 Millionen. Euro. Allein für die Fasermessungen wurden über 250.000 Euro investiert. Durch die noch laufenden Abrechnungen, die noch nicht erfolgte Bepflanzung und das noch ausstehende Grundwasser-Monitoring werden die Kosten noch steigen, sie werden aber deutlich unter der Schätzung von 3,7 Millionen Euro aus dem Sanierungsplan bleiben.
(Der Artikel wurde im Umweltreport 2017 der Region Hannover im August 2017 erstmals veröffentlicht.)