Insekten beleben Moore
Insektenwelt im Moor
Eine derartige Spezialisierung beschränkt solche Arten allerdings auch oft auf eben diese Bereiche, da sie stark an den entsprechenden Lebensraum angepasst sind. Sie können nicht ohne die für diesen Raum typischen Gegebenheiten überleben. Hierbei kann es sich um Anpassungen an die Standortbedingungen handeln, wie etwa das Vorkommen bestimmter Böden oder Klimaverhältnisse. Es kann aber auch das Auftreten bestimmter Nahrungspflanzen oder Beutetiere entscheidend sein. Beim Lebensraum Hochmoor handelt es sich um einen Extremstandort, der sich z.B. durch eine hohe Feuchtigkeit und saure Wasserverhältnisse auszeichnet, für die vor allem die dort typischerweise vorkommenden Torfmoose verantwortlich sind.
Das Projekt „Insekten beleben Moore“ hat insgesamt 67 Insektenzielarten aus sechs Artengruppen (Libellen, Tagfalter, Laufkäfer, Wasserkäfer, Ameisen und Heuschrecken) ausgewählt, die durch Maßnahmen auf ehemaligen Torfabbauflächen im Hochmoor gefördert werden sollen. Alle diese Arten besiedeln das Hochmoor als ihren Hauptlebensraum oder haben hier ihren Verbreitungsschwerpunkt.
Im Folgenden stellen wir eine Auswahl dieser Arten als Repräsentanten ihrer Artengruppe vor. Sie sind entweder bereits für das Tote Moor und seine Umgebung nachgewiesen oder können hier aufgrund ihrer natürlichen Verbreitung theoretisch vorkommen.
Libellen:
Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia)
Rote Liste Deutschland: Kategorie 3 (gefährdet)
Alle Libellen, die zu den Moosjungfern gehören, haben eine weiße „Nase“, an der man sie gut erkennen kann. Die Kleine Moosjungfer ist die kleinste der Moosjungfern. Sie braucht Moorgewässer mit offenen Wasserflächen und vorzugsweise schwimmenden („flutenden“) Torfmoosen für ihren Nachwuchs. Hier lässt sie ihre Eier zwischen die Pflanzen sinken. Die Larven krabbeln zum Schlupf ab Mai aus dem Wasser, wenn es sonnig und windstill ist. Direkt am Ufer heften sie sich an den unteren Teil von Gräsern, wo sich die ausgewachsene Libelle aus ihrer Larvenhaut befreit und von nun an in der Luft unterwegs ist.
Der Lebensraum dieser Art ist mit zunehmender Trockenlegung und dem Torfabbau der Moore deutlich zurückgegangen. Sie profitiert daher von der Wiedervernässung und Renaturierung dieser Bereiche, sofern wieder dauerhafte Gewässer mit flutenden Torfmoosen geschaffen werden.
Zarte Rubinjungfer (Ceriagrion tenellum)
Rote Liste Deutschland: V (Vorwarnliste)
In Deutschland liegt der Verbreitungsschwerpunkt dieser Kleinlibelle im Tiefland Niedersachsens. Sie profitiert von den höheren Temperaturen des Klimawandels und bevorzugt das atlantische Klima mit seinen milden Wintern. Ein Austrocknen oder Zufrieren der Fortpflanzungsgewässer vertragen die Larven der Zarten Rubinjungfer nicht.
Diese Libellenart ist ein sehr aktiver Flieger. Sie ist im Sommer über viele Monate zu beobachten und entfernt sich nicht selten auch viele hundert Meter von ihrem Schlupfgewässer, um neue Bereiche zu besiedeln. Hierfür konnten auch schon längere Flüge von mehreren Kilometern nachgewiesen werden.
Die Zarte Rubinjungfer kann viele Gewässerarten besiedeln, bevorzugt jedoch jene in Mooren. Die Weibchen legen ihre Eier in die Stängel der Wasservegetation, vorzugsweise von Torfmoosen (Sphagnum spec.) und Wasserschlaucharten (Utricularia spec.). Dort sind sie gut vor Fressfeinden geschützt. Die Larven leben in der Regel über zwei Winter im Gewässer, bevor sie an Land gehen und als erwachsenes Tier aus der Larvenhaut schlüpfen.
Tagfalter:
Großes Wiesenvögelchen (Coenonympha tullia)
Rote Liste Deutschland: Kategorie 2 (stark gefährdet)
Dieser sehr seltene Tagfalter ist ausschließlich in Mooren zu finden. Das liegt an der Nahrung der Raupen, die sich ausnahmslos von Wollgräsern und anderen typischen Gräsern der Moore – wie z.B. dem Weißen Schnabelried (Rhynchospora alba) – ernähren. Die ausgewachsenen Falter suchen Nektar von verschiedenen Blütenpflanzen, die sie vor allem in umliegenden Heideflächen finden. Ihre bevorzugte Pflanze ist hierbei die Glockenheide (Erica tetralix). Bei warmer Witterung und Windstille ist diese Art – wie die allermeisten Schmetterlingsarten – am ehesten unterwegs und somit am besten zu beobachten. Bei bedecktem Wetter oder stärkerem Wind harren die Falter oft zwischen der Heidevegetation in Bodennähe aus, bis wieder bessere Bedingungen herrschen.
Spiegelfleck-Dickkopffalter (Heteropterus morpheus)
Rote Liste Deutschland: Kategorie * (ungefährdet)
Der Namensgebung folgend ist ein dicker Kopf typisch für diese kleine Schmetterlingsart und ihre nächsten Verwandten. Kurze Fühler sind ein weiteres markantes Merkmal ebenso wie ihre „hüpfende“ Flugweise. Die auffallenden, allerdings nicht schillernden Spiegel-Flecken auf der Außenseite der Flügel können zur Verwechslung mit den größeren Perlmutterfaltern führen. Die Ähnlichkeit endet aber bei der schlichten, dunkelbraunen Oberseite des Spiegelfleck-Dickkopffalters.
Als Nahrungspflanzen bevorzugen die Raupen Gräser, vor allem das Pfeifengras (Molinia caerulea) und das Sumpf-Reitgras (Calamagrostis canescens), in deren Blätter sich die Raupen einspinnen. In diesen selbstgefertigten Röhren überwintern die Raupen, sodass sie auf Bestände ihrer Nahrungspflanzen angewiesen sind, die nicht gemäht werden, wie es in den natürlichen Mooren der Fall ist. Im Gegensatz zu ihren Raupen sind die erwachsenen Falter recht anspruchslos und nutzen eine große Bandbreite an Blütenpflanzen zur Nektarsuche.
Laufkäfer:
Uferlaufkäfer (Carabus clatratus)
Rote Liste Deutschland: Kategorie 2 (stark gefährdet)
Der Uferlaufkäfer und seine Larven sind stark an Ufer-Lebensräume und Verlandungszonen, wie man sie in Mooren findet, gebunden. Die Käfer jagen nachts sowohl an Land als auch im Wasser nach Schnecken, Insekten und anderen Kleinlebewesen sowie deren Larven. Unter Wasser führen die Käfer einen Luftvorrat unter den Flügeldecken mit, während sie an Pflanzen entlangkletternd auf die Jagd gehen. Bemerkenswert ist, dass nur wenige der erwachsenen Tiere fliegen können. Erkennen kann man den Uferlaufkäfer an den goldenen Punkten auf seinen Flügeldecken. Mit einer Körperlänge von 3 cm ist er einer der größten bei uns vorkommenden Käfer.
Hochmoor-Glanzflachläufer (Agonum ericeti)
Rote Liste Deutschland: Kategorie 2 (stark gefährdet)
Dieser kleine, glänzende Laufkäfer (bis ca. 8 mm lang) kommt nur im Lebensraum Hochmoor vor, sodass er seinem Namen ausgesprochen gerecht wird. Er geht vorwiegend in trockeneren Bereichen wie z.B. Torfmoos-Bulten auf Beutefang und überwintert hier auch. Aufgrund der hohen Bindung an ein ungestörtes Hochmoor ist ein häufiges Auftreten dieser Art ein gutes Zeichen für einen intakten Hochmoorlebensraum.
Wie andere Laufkäfer ist auch der Hochmoor-Glanzflachläufer meist flugunfähig. Alle erwachsenen Exemplare haben zwar Flügel, diese sind aber nur selten groß genug zum Fliegen.
Wasserkäfer
Dunkelerzfarbener Schwarz-Tauchkäfer (Ilybius aenescens)
Rote Liste Deutschland: Kategorie V (Vorwarnliste)
Schwimmkäfer sind kleine Räuber der Gewässer. Das trifft bei dieser Art sowohl für die erwachsenen Tiere als auch für die Larven zu. Neben ihrem Nahrungsgewässer ist jedoch auch der Landlebensraum wichtig, da die Larven sich im Boden vergraben und dort verpuppen. Auch die erwachsenen Tiere überwintern dort.
Zur Fortbewegung unter Wasser tragen die Beine der Käfer Haare, sodass sie eine Art Ruder bilden. Luft zum Atmen wird auch bei diesem Käfer unter den Flügeldecken mitgenommen, während die Larven zum Atmen an die Wasseroberfläche schwimmen. Der Dunkelerzfarbene Schwarzkäfer fühlt sich in den sauren, braungefärbten Moorgewässern am wohlsten.
Ameisen:
Schwarzglänzende Moorameise (Formica picea)
Rote Liste Deutschland: Kategorie 2 (stark gefährdet)
Diese Ameisenart ist in außergewöhnlicher Weise an das Leben im Moor angepasst. Ihre Nester überstehen eine mehrwöchige Überflutung und auch die Arbeiterinnen sind regelmäßig unter Wasser zu finden. Die Art verträgt zudem sehr niedrige Temperaturen, da ihre Körperflüssigkeiten erst bei -27°C einfrieren.
Die Schwarzglänzende Moorameise baut ihre Nester bevorzugt in Torfmooserhebungen, sogenannten Bulten. Dabei kommen Nesterdichten von etwa 1-2 Nestern auf 10 m² vor, in denen mehrere hundert Arbeiterinnen eine oder auch mehrere Königinnen umsorgen. Gegenüber anderen Ameisenarten ist diese Art wenig konkurrenzstark und kommt aufgrund ihrer Anpassung an den Lebensraum Moor zu etwa 95 % nur hier vor.
Heuschrecken:
Sumpfschrecke (Stethophyma grossum)
Rote Liste Deutschland: Kategorie * (ungefährdet)
Heuschrecken lieben normalerweise trockene Lebensräume, die Sumpfschrecke jedoch sucht ihrem Namen entsprechend feuchte Bereiche auf, die sie für die Eiablage braucht: Ihre Eier und auch ihre jüngeren Larvenstadien sind sehr empfindlich gegenüber Austrocknung. So profitiert auch diese Art auf der einen Seite von der durch den Klimawandel bedingten Erderwärmung, ist jedoch andererseits von den damit verbundenen Trockenzeiten genau wie ihr Lebensräume – Moore, nasse Ufer, Auen und Wiesen – negativ betroffen.
Das Zirpen der Sumpfschrecke, erinnert an das Aneinanderklacken zweier Kieselsteine und ist etwa 15 m weit zu hören. Es wird durch das Schleudern der Hinterbeine an die Flügel erzeugt. Gut zu erkennen sind die Männchen an der roten Kante der Hinterbeine, die Weibchen sind oft rot gescheckt. Beide Geschlechter haben das für diese Art typische schwarze „Knie“ an den langen Hinterbeinen.
Literatur
Baumann, K., Jödicke, R., Kastner, F., Borkenstein, A., Burkart, W., Quante, U. & Spengler, T. (2021): Atlas der Libellen in Niedersachsen/Bremen. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Libellen in Niedersachsen und Bremen, Sonderband, 380 S.
Bellmann, Heiko, Rutschmann, Florin & Roesti, Christian (2019): Der Kosmos Heuschreckenführer - Die Heuschrecken Mitteleuropas und die wichtigsten Arten Südosteuropas. Stuttgart: Kosmos Verlag., 432 S.
Binot-Hafke, M.; Balzer, S.; Becker, N.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Strauch, M. (Hrsg.) (2011): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). Münster: Landwirtschaftsverlag, Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 577-606.
Gruttke, H.; Balzer, S.; Binot-Hafke, M.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Ries, M. (Hrsg.) (2016): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 4: Wirbellose Tiere (Teil 2). Münster: Landwirtschaftsverlag, Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (4): 139-204.
Klausnitzer, B. (1996): Käfer im und am Wasser. 2. Auflage, Heidelberg: Verlag Westarp Wissenschaften, 200 S.
Ries, M.; Balzer, S.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Matzke-Hajek , G. (Hrsg.) (2021): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 5: Wirbellose Tiere (Teil 3). Münster: Landwirtschaftsverlag, Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (5): 659-679
Seifert, Bernhard (2007): Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas. Tauer: lutra Verlags- und Vertriebsgesellschaft, 368 S.
Trautner, J. (2017): Die Laufkäfer Baden-Württembergs. 2 Bände, Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, 848 S.
Das Projekt "Insekten beleben Moore" wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.