Grundwasser ist nicht nur eine wichtige Ressource, sondern der größte immer noch wenig erforschte Lebensraum auf den Kontinenten. In der Tiefe leben Hunderte von Tierarten, auch lebende Fossilien älter als die Dinosaurier, aber kaum jemand kennt sie.
Bekannt ist, dass sich die Grundwasserfauna – also die Tierwelt - in den verschiedenen Gegenden Deutschlands erheblich voneinander unterscheidet. In Süddeutschland ist das Grundwasser artenreich besiedelt. Seit Jahrmillionen leben die Tiere hier im Untergrund und haben sich kaum ausgebreitet. Noch heute kann man an ihrem Vorkommen die alten Flussgebietsgrenzen erkennen. Ganz anders in Norddeutschland: Hier bedeckten während der letzten Million Jahre in mindestens vier großen Eiszeiten riesige Inlandeismassen für Jahrtausende das Land. Fast alles Leben wurde darunter vernichtet. Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren wurde das Grundwasser Norddeutschlands nur teilweise wiederbesiedelt. Die Tierwelt des norddeutschen Grundwassers gilt deshalb bis heute als verarmt.
Untersuchungen der Grundwasserfauna von Hannover seit 2017
Um einen Überblick über die hannoversche Grundwasserfauna zu bekommen, hat der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün bereits im Jahr 2017 von der Universität in Koblenz Landau erste Untersuchungen an 49 Stellen im Stadtgebiet durchführen lassen. Es sollte geklärt werden, ob und durch welche Tierarten das Grundwasser hier besiedelt ist. Angetroffen wurde eine für die Norddeutsche Tiefebene sehr arten- und individuenreiche Tierwelt. Aufgrund dieser positiven Befunde erfolgten weitere Untersuchungen, die die Basis für den Aufbau eines Messnetzes für eine biologische Grundwasserüberwachung bildeten. Die dafür benötigten Mittel wurden teilweise von der Sparkasse Hannover über den Sparkassenbrief N+ zur Verfügung gestellt.
Grundwasserfauna als Indikator für Wasserqualität
Bei Oberflächengewässern werden zur Bewertung der Gewässergüte schon seit vielen Jahren biologische Untersuchungen durchgeführt. Hintergrund ist der, dass die Organismen dem gesamten im Wasser gelösten Stoffspektrum und allen anderen Einflüssen dauerhaft ausgesetzt sind und mit ihren Reaktionen Hinweise auf die Wasserqualität und andere Faktoren wie z. B. die Temperatur geben. Anhand von Änderungen der Arten- und/oder Individuenzahl bzw. deren Zusammensetzung kann ebenso gut im Grundwasser festgestellt werden, ob sich dessen Qualität verändert. Mit chemischen Analysen, die von der Landeshauptstadt schon seit 2003 regelmäßig durchgeführt werden, kann demgegenüber jeweils nur eine ausgewählte Anzahl an Stoffen zu einem bestimmten Zeitpunkt getestet werden.
Seit 2018 wird in Hannover die im Grundwasser lebende Fauna regelmäßig untersucht. Dies erfolgt schwerpunktmäßig im südlichen Stadtgebiet. Hier ist der Sauerstoffgehalt im Grundwasser meist relativ hoch und auch die übrigen Standortbedingungen sind so, dass eine vielfältige Tierwelt mit Mittelgebirgscharakter hier gut leben kann. Im Norden des Stadtgebietes dagegen sind die Sauerstoffgehalte häufig so niedrig, dass tierisches Leben nicht möglich ist. Hier zeigt sich deshalb eine dünnere Besiedlung mit sehr kleinen Tieren, die für die Norddeutsche Tiefebene typisch sind.
Erstmalig in der Norddeutschen Tiefebene konnten in Hannover sogar drei Arten an Brunnenkrebsen als lebende Fossilien gefunden werden. Biodiversität in der Bundeshauptstadt der Biodiversität also auch im Untergrund!