Mediation und Schlichtung: Die WAAGE Hannover
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet der gemeinnützige Verein WAAGE Hannover als Schlichtungs- und Mediationsstelle in der Stadt. Seit kurzem bietet die Einrichtung zudem ein Projekt für Migrant/innen an.
Stipendien für Migrant/innen ausgeschrieben
In der hannoverschen Oststadt befinden sich die Räumlichkeiten der gemeinnützigen Schlichtungs- und Mediationsstelle WAAGE Hannover. Seit seiner Gründung vor mehr als 20 Jahren vermittelt der Verein in alltäglichen Konflikten, sodass viele zwischenmenschliche Auseinandersetzungen außergerichtlich geklärt werden können. Seit dem Jahr 2008 ist er zudem eine vom Niedersächsischen Justizministerium staatlich anerkannte Gütestelle, wodurch Beteiligte eines Rechtsstreits die Möglichkeit haben, sich auch in zivil- oder strafrechtlichen Angelegenheit an die WAAGE zu wenden und den entsprechenden Konflikt außergerichtlich zu lösen.
Pro Jahr bearbeiten drei haupt-, knapp ein Dutzend ehrenamtliche Mitarbeiter/innen sowie eine Geschäfststellenleiterin zwischen 500 bis 700 Fälle. Viele der für die WAAGE tätigen ehrenamtlichen Mediator/innen wurden dabei im eigenen Haus ausgebildet und anschließend in den täglichen Arbeitsablauf integriert. Der Verein betreut beinahe alle Bereiche der Streitschlichtung, ausgeschlossen sind lediglich Trennungs-/Scheidungs- sowie Wirtschaftskonflikte. In Kooperation mit der Landeshauptstadt Hannover nimmt die WAAGE auch am „Hannoverschen Interventionsprogramm gegen Männergewalt in der Familie“ (HAIP) teil, in dem das Angebot der WAAGE einer von neun Bausteinen ist.
Obwohl die WAAGE in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf genießt, ist die Einrichtung den meisten Bürger/innen Hannovers eher unbekannt. Das sei das größte Problem des Vereins, wie Dr. Lutz Netzig, einer der hauptamtlichen Mitarbeiter, offen zugibt. Bei den bearbeiteten Fällen liegt der Anteil der „Selbstmelder“, also von Menschen die die WAAGE selbstständig kontaktieren, bei nur 10 Prozent. Der Großteil hingegen wird im Rahmen des sogenannten Täter-Opfer-Ausgleichs von der Staatsanwaltschaft und Gerichten, von Rechtsanwälten oder vernetzten Organisationen auf die Möglichkeit der außergerichtlichen Schlichtung hingewiesen – gut 60 Prozent der so informierten Personen nehmen dann schließlich die von der WAAGE angebotenen Dienste in Anspruch.
Damit sich diesen Quoten zukünftig verbessern, wurde im Spätsommer 2011 ein von der Klosterkammer Hannover finanziertes Projekt gestartet: Innerhalb der nächsten fünf Jahre können bis zu zehn Personen mit Migrationshintergrund ein Stipendium für die Ausbildung zum/r Mediator/in erhalten, ohne sich dabei selbst an den Kosten beteiligen zu müssen. Die einzige Bedingung dafür ist, dass die Teilnehmer/innen im Anschluss an die Ausbildung ehrenamtlich für die WAAGE arbeiten. In der Regel nimmt diese Tätigkeit ein bis zwei Tage in der Woche in Anspruch, was aber je nach Auftragslage und persönlicher Verfügbarkeit variieren kann.
Durch dieses Projekt erhofft sich der Verein einen höheren Bekanntheitsgrad gerade bei den zugewanderten Einwohner/innen Hannovers. Die Vernetzung mit Migrationenselbstorganisationen und anderen sozial bzw. gesellschaftlich engagierten Organisationen ist laut Dr. Netzig der vielversprechendste Weg, um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Wichtig sei vor allem, dass sich die Erkenntnis verbreite, dass bei der WAAGE „Bürger für Bürger arbeiten“ und niemand von oben herab agiert. Generell sei die Mediation in Deutschland allerdings noch nicht so weit verbreitet wie bspw. in den USA, wo diese bereits seit einigen Jahrzehnten erfolgreich praktiziert werde und in den dortigen „Communities“ eine viel größere Bedeutung besitze. Sehr oft allerdings haben Netzig und seine Kolleg/innen nach dem erfolgreichen Abschluss einer Vermittlung den Satz „Wenn ich das mal früher gewusst hätte, dass es so eine Einrichtung gibt“ gehört – für das Team der WAAGE ein Beweis, dass die Mediation auch hierzulande gefragt ist.
Doch wie läuft so eine Mediation eigentlich ab? Bei jedem Fall werden mit den beteiligten Parteien einzelne Vorgespräche geführt, in deren Rahmen die jeweilige Sichtweise auf die Problematik festgestellt wird. Am anschließenden Vermittlungsgespräch, das die Konfliktparteien selbstständig führen, nehmen zwei Mediator/innen lediglich moderierende Aufgaben wahr, ohne jedoch beratend über Vorschläge einzugreifen – denn „eine Einigung, die man nicht selbst erzielt hat, die akzeptiert man auch nicht“, berichtet Netzig. Die Einigungsquote in diesen Gesprächen liegt bei über 90 Prozent.. Hinterher erfolgt lediglich eine Erfolgs- oder Misserfolgsmeldung an die Staatsanwaltschaft, inhaltliche Details werden dabei nicht übermittelt.
Allerdings ist nicht jede/r für die Tätigkeit als Mediator/in geeignet. Viele der ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen der WAAGE mussten auch erst lernen, sich „nicht einzumischen“, wie Netzig es formuliert. Manchmal stünde die eigene Meinung zwar der schlussendlichen Lösung konträr gegenüber, doch das ist eben auch ein Teil des Einigungsprozesses: „Der Ablauf des Verfahrens muss als fair erkannt werden, es geht nicht darum, wer ‚Recht hat‘ – auch wenn man selbst manchmal innerlich mit dem Kopf schüttelt“.
Finanziert wird die WAAGE in Teilen durch das Land Niedersachsen, allerdings auch durch Eigenmittel bspw. in Form von Spenden. Zudem generiert der Verein über die angebotenen Ausbildungskurse zum/r Mediator/in weitere Einnahmen. Für die mittelfristige Zukunft erhofft sich die Schlichtungsstelle, dass der präventive Bereich peu à peu ausgebaut werden kann – was jedoch nur funktionieren kann, indem man in der Öffentlichkeit mehr auf die Möglichkeit der Mediation aufmerksam macht. Wer dabei mit seinem Verein oder seiner Organisation mithelfen möchte, kann sich jederzeit mit Ideen und Vorschlägen an das Team der WAAGE wenden.
Viele weitere Informationen, Fallbeispiele und ausführliche Projektbeschreibungen finden sich auf der nachfolgend verlinkten Homepage des Vereins.