Abschlussdiskussion der Antirassismus-Wochen mit Stefan Schostok und Sebastian Wertmüller.
Auch dieses Jahr beteiligte sich die Landeshauptstadt Hannover mit diversen Veranstaltungen an den Internationalen Wochen gegen Rassismus. Auf der Abschlussveranstaltung in der Volkshochschule (VHS) stellten sich am 25. März Oberbürgermeister Stefan Schostok und der Gewerkschafter Sebastian Wertmüller (ver.di-Süd-Ost-Niedersachsen) den Fragen der Einwohnerinnen und Einwohner. Das Rahmenprogramm übernahm der hannoversche Poetry-Slammer Tobias Kunze, der humorvoll ethnozentristische Denkmuster aufs Korn nahm.
Als Hausherr begrüßte der Leiter der VHS Hannover, Michael Guttmann, die Gäste und warf einen kurzen Blick zurück auf die Entstehung der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Das Problem sei unverändert aktuell, wie „racial profiling“ bei Polizeikontrollen, stigmatisierende Presseberichte und rassistische Auswüchse unter Fußballfans zeigten. In Hannover habe sich über die Jahre ein breites Bündnis staatlicher und ziviler Akteure gebildet, die Veranstaltungen und Aktionen gegen Rassismus, Diskriminierungen und Rechtsextremismus durchführten.
Nach Guttmanns Grußwort eröffnete Schostok seine Rede mit einem Appell zur Wachsamkeit gegenüber Alltagsrassismus. Die kulturelle Vielfalt in Hannover sei ein Vorteil und keine Last – das müsse immer wieder deutlich gemacht werden. Rassist/innen seien eben nicht nur einzelne Außenseiter. Auch unhinterfragt übernommener Rassismen im täglichen Sprachgebrauch sollten konstruktiv aufgezeigt und reflektiert werden. Nur so könne die Vorstellung der Ungleichwertigkeit von Menschen langfristig überwunden werden. Zwar habe man in Hannover auf diesem Gebiet viel erreicht – doch noch immer werden Menschen aufgrund gruppenbezogener Vorurteile ausgegrenzt. Schostok lobte zum Abschluss seinen Nachredner Sebastian Wertmüller, der sich in seiner Zeit als DGB-Vorsitzender in Hannover besonders im Kampf gegen Rassismus verdient gemacht habe.
Wertmüller, heute ver.di-Geschäftsführer in Göttingen, begann seinen Beitrag mit einer grundsätzlichen Kritik an öffentlichen Diskussionen, die Menschen mit Migrationshintergrund betreffen. Selbst wenn sie Opfer rassistisch motivierter Straftaten werden, werde schnell über ihren wirtschaftlichen (Un-)Nutzen für die Kommunen diskutiert. Das Kernproblem sah Wertmüller jedoch in „einer deutsch geprägten Mehrheitsgesellschaft, die ein abstoßendes Verhalten zutage treten lässt“. Als Beispiele führte er rechtsextreme Aufmärsche und Kundgebungen an. Außerdem stimme ein erschreckend hoher Bevölkerungsanteil rechtspopulistischen Äußerungen zu.
Der Lokale Integrationsplan (LIP) habe Hannover zu Recht viel Anerkennung eingebracht. Allerdings seien darin keine Konzepte über eine Gleichbehandlung im Arbeits- und Wohnungsmarkt enthalten. Nach seinen Erfahrungen in Niedersachsen und Hessen stellten viele Kommunen einen solchen Gleichbehandlungsanspruch – sie gingen ihm jedoch nicht konsequent genug nach und tolerierten so eine von Ungleichbehandlungen geprägte Alltagspraxis. Gerade das Verhalten von Unternehmen sei wie eine „Blackbox“, denn es herrsche eine stillschweigende Vereinbarung, nicht öffentlich über Diskriminierungen in der Wirtschaft zu reden. Der LIP sollte auch unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse überarbeitet und auch im Wirtschaftssektor umgesetzt werden.
Wertmüllers kritischen Worten folgte eine Diskussionsrunde mit dem Publikum. Die Moderatorin Regina Karsch fragte Schostok, was die Stadt konkret gegen einen rechtsextremen Szeneladen in der List tun könne. Der OB verwies in seiner Antwort auf die gesetzlichen Grenzen, die das Verwaltungshandeln beschränken und zeigte sich zufrieden mit dem zivilen Protest aus der Stadtgesellschaft. Es sei ein gutes Zeichen, dass sich solche Geschäfte in Hannover nicht ungestört etablieren können. Auch dass sich in Hannover mehr Gruppen für Flüchtlingsrechte einsetzten, als gegen ihre Aufnahme, bewertete er als zivilisatorischen Fortschritt.
Eine Anwesende berichtete von ihren Erfahrungen als Deutsch-Dozentin für Flüchtlinge. Viele von ihnen seien hochqualifiziert, ihre Zeugnisse werden jedoch trotz Fachkräftemangel nicht anerkannt und so müssen sie unqualifizierten Erwerbstätigkeiten nachgehen. Wertmüller hielt dies für eine Ressourcenverschwendung, dem ein kompliziertes bürokratisches Verfahren zugrunde liegt. Hier müsse die Stadtgesellschaft die Politik und die Wirtschaft unter Druck setzen und in die Pflicht nehmen.
Nachdem Schostok und Wertmüller gut eine Dreiviertelstunde weitere Fragen beantworteten, unterhielten sich die Anwesenden nach Ende der Veranstaltung noch bei Getränken und Snacks. Insgesamt war die Runde ein gelungenes Finale der diesjährigen Internationalen Woche gegen Rassismus.