Am 2. Juni 1986 startete Dr. Ursula Müller (1986-1996), die erste Frauenbeauftragte Hannovers, im damaligen Frauenbüro – Referat für Gleichstellungsfragen. Nur wenige Städte hatten damals eine solche Einrichtung. In Niedersachsen war das hannoversche Frauenbüro zu diesem Zeitpunkt einzigartig.
Zu Beginn standen vor allem die Skandalisierung von Missständen und das Sichtbarmachen von Frauen im Blickpunkt der Arbeit. Bald darauf wurde in den 1990er Jahren die Entwicklung von Richtlinien und Regelungen für die Förderung von Frauen und Gleichberechtigung zum Schwerpunkt. Darauf folgte dann die Phase, in der es darum ging, Gleichstellungspolitik als Gemeinschaftsaufgabe in allen Bereichen der Verwaltung zu propagieren und letztlich auch fest zu verankern.
Der Begriff "Gender Mainstreaming" beschreibt den zentralen Prozess für gleiche Chancen und ein gleichberechtigtes Miteinander, den Dr. Brigitte Vollmer-Schubert (1998-2013) mit Beginn des 21. Jahrhunderts maßgeblich mit angestoßen hat. Mittlerweile werden die bei der Landeshauptstadt Hannover eigens entwickelten Instrumente und Maßnahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern angewandt.
Daran zu erinnern, dass es diese Instrumente und Maßnahmen gibt, und das Bewusstsein für deren Relevanz wach zu halten, ist eine der derzeitigen Herausforderungen für die aktuelle Gleichstellungsbeauftragte Friederike Kämpfe.
In den vergangenen 30 Jahren gingen von den hannoverschen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten viele Impulse aus. Dabei haben sie nicht nur die Arbeit der Stadtverwaltung in den Blick genommen und dazu beigetragen, dass dort frauen- und gleichstellungsspezifische Themen bearbeitet wurden. Es ging auch darum, niedersachsen- und bundesweit Akzente zu setzten. Ein herausragendes Beispiel war und ist das "HAnnoversche InterventionsProgramm" (HAIP) gegen (Männer)Gewalt in der Familie.
Weitere wichtige Projekte waren und sind:
- die Einrichtung des FrauenNachtTaxis in Kooperation mit der üstra
- die Implementierung der Frauenförder- bzw. Gleichstellungspläne in die Arbeit der Stadtverwaltung
- das Projekt „Mädchen in der Stadt“ im Rahmen des Stadtentwicklungsprozesses "Mein Hannover 2030"
- die Umsetzung der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene in der Stadtverwaltung
Dr. Ursula Müller
"Die größte Gefahr, in die sich eine Gleichstellungsbeauftragte begeben kann, besteht darin, ihre Arbeit an Gleichheit auszurichten. Denn diese wird heute als formale, zahlenmäßige verstanden, dabei geht es darum, struktureller Benachteiligung entgegen zu wirken. Oder um ein berühmtes Zitat abzuwandeln: It's the system, stupid!"
Dr. Brigitte Vollmer-Schubert
"Inzwischen ist Gleichstellungsarbeit als Querschnittsaufgabe akzeptiert und in der Verwaltung der LHH verankert. Die Teilnahme an Lenkungs- und Steuergruppen sowie der Dezernentenkonferenz musste erkämpft werden, mittlerweile ist dies selbstverständlich geworden. Themen, die vom Gleichstellungsbüro ausgingen - zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Familie - sind inzwischen in der Verwaltung verankert. Auch die Kooperation mit Vereinen, Verbänden, Frauengruppen etc. läuft inzwischen problemlos und erfolgreich. Was ein Problem geblieben ist, ist meines Erachtens die fehlende Zeit für die vielen Themen. Und je erfolgreicher die Arbeit ist, desto größer wird der Zeitmangel für die einzelnen Themen."
Friederike Kämpfe
"Die Vorzeichen, unter denen ich 2013 Gleichstellungsbeauftragte wurde, waren andere als 1986. Als junge Frau profitiere ich an vielen Stellen von dem unermüdlichen Einsatz meiner Vorgängerinnen – egal ob sie Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte oder Teil der vielfältigen Frauenbewegung waren. Nach wie vor bedarf es starker Nerven für Frauen und Gleichstellung einzutreten. Dass Feminismus noch immer Not tut, zeigen die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen über die Geschlechterverhältnisse und die Kontinuität der Themen: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nur eines unter vielen, das wir alle bearbeitet haben bzw. bearbeiten."