Sieben innovative Projekte der Medizinische Hochschule, die sich mit den Chancen datenintensiver Forschung und personalisierter Medizin beschäftigen, erhalten Fördergelder vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung.
Im Rahmen der Ausschreibung "Big Data in den Lebenswissenschaften der Zukunft" fördern das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die VolkswagenStiftung 16 innovative Projekte, die sich mit den Chancen datenintensiver Forschung und personalisierter Medizin beschäftigen. Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sind mit insgesamt sieben Anträgen zu Forschungsvorhaben erfolgreich gewesen, an zwei weiteren Projekten ist die MHH beteiligt. Die Lebenswissenschaften gehören aktuell zu den dynamischsten Forschungsfeldern der Wissenschaft – das zeigt auch die Zahl von insgesamt 54 eingereichten Anträgen. Gefördert werden Forschungsvorhaben, die in besonderer Weise die Chancen und Möglichkeiten, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung der Lebenswissenschaften ergeben, für den Erkenntnisfortschritt nutzen sowie Meilensteine für den Transfer neu gewonnenen Wissens erarbeiten und in ersten Schritten umsetzen. Die Gesamtfördersumme für die 16 ausgewählten Projekte liegt bei rund 18 Millionen Euro – die Mittel stammen aus dem Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung.
Die geförderten MHH-Projekte im Einzelnen
Das nephrologische e-Health-System der Region Hannover zur Digitalisierung der Versorgung
Etablierung von Entscheidungsunterstützungssystemen und Analyse der Versorgungsqualität (NEPHRO-Digital), Prof. Dr. Lars Pape, Medizinische Hochschule Hannover. Es wird eine regionale eHealth-Plattform aufgebaut, die einen integrierten, sektorenübergreifenden Datenaustausch inklusive Telekonsultationen zwischen ambulanten nephrologischen Behandlern, primärversorgenden Haus- und Kinderärzten und nephrologischen Kliniken ermöglicht. Ein intraoperables, klinisches Entscheidungsunterstützungssystem zur frühen Identifizierung von Patienten mit cardiovaskulärer Co-Morbidität und Progression der Niereninsuffizienz wird etabliert. Durch eine Einbindung der Patienten in die Datenerhebung und –analyse soll eine Verbesserung von Prognose, Patientenzufriedenheit und Lebensqualität erreicht werden.
BacData – Entwicklung analytischer Pipelines für die individualisierte Diagnostik und Therapie Biofilm-assoziierter Infektionen
Prof. Dr. Meike Stiesch, Medizinische Hochschule Hannover, (gemeinsam mit Twincore, HZI, LUH, CiiM) Biofilm-assoziierte Infektionen wie Implantat-Infektionen oder Cystische Fibrose gehören zu den größten Herausforderungen der modernen Medizin, da in Biofilmen organisierte Bakterien extrem widerstandsfähig und häufig nicht therapierbar sind. Durch die Kombination moderner Technologien wie Omics Profiling, maschinellem Lernen und Data Mining sollen in diesem interdisziplinären Projekt erstmals die Struktur und Dynamik relevanter Biofilme entschlüsselt und basierend auf diesen Erkenntnissen neue diagnostische und personalisierte Therapiestrategien für das Gesundheitssystem entwickelt werden.
Anwendung maschinellen Lernens auf große Datenmengen zwecks Erkenntnisgewinn zur Ergebnisvariabilität bei der Cochlea-Implantat-Versorgung
Prof. Dr. Andreas Büchner, Medizinische Hochschule Hannover Die interindividuelle Variabilität des Hörerfolgs mit dem Cochlea Implantat (CI) ist bisher nicht ausreichend verstanden und soll im Rahmen dieses Projektes mit aktuellen Methoden des maschinellen Lernens untersucht werden. Das Projekt bedient sich dabei der weltgrößten monozentrischen Datenbank für CI Patienten an der MHH mit fast 10.000 Implantationen und entsprechenden prä- und postoperativen longitudinal erhobenen Daten, wie z.B. Hörergebnisse, demografische Daten, Bilddatensätze, genetische Daten und Millionen von technischen Parametern der individuellen CI Programmierungen.
Von der Genomforschung zu klinisch relevanten Erkenntnissen für Patienten mit Lungenfibrose
Prof. Dr. Antje Prasse und Dr. David DeLuca, Medizinische Hochschule Hannover Das Projekt wird über die integrative Analyse von Transkriptom-Datensätzen zu einem besseren Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der Lungenfibrose und hieraus ableitbarer therapeutischer und diagnostischer Strategien führen. Das interdisziplinäre Konsortium verbindet klinische und molekularbiologische Expertise mit bioinformatischen Kompetenzen. Das ermöglicht die Integration von Daten aus neuartiger Technologie der RNA-Sequenzierung auf Einzellebene. Das Projekt verspricht, neue Instrumente zur verbesserten Diagnostik und Therapien der Lungenfibrose zu entwickeln.
Integrative Datenanalyse für die RSV-Risikoabschätzung (INDIRA)
Prof. Dr. Thomas Pietschmann, Medizinische Hochschule Hannover (gemeinsam mit Twincore, HZI, LUH, TRAIN, CiiM, TU-BS, DSMZ) Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist die häufigste Ursache für schwere Atemwegserkrankungen bei Kleinkindern. Etwa 1% der Infektionen verläuft schwer, doch Risikofaktoren sind nur unzureichend bekannt. Anhand multi-dimensionaler OMICs-Daten und mit maschinellen Lernverfahren werden im INDIRA Verbundprojekt genetische Marker sowie Biomarker für die Prognose von schweren RSV-Infektionen identifiziert und deren Rolle im Infektionsverlauf geklärt. Diese Information soll in Zukunft für eine individualisierte Risikoabschätzung und maßgeschneiderte Prävention genutzt werden.
Aus Datenfluten Wissen machen
Erstellung immunologischer Profile bei Impfungen, infektiösen Erkrankungen und Transplantationen (ImProVit),Prof. Dr. Ulrich Kalinke, Medizinische Hochschule Hannover (gemeinsam mit Twincore, HZI, LUH, TRAIN) Ein interdisziplinäres Konsortium der Translationsallianz in Niedersachsen (TRAIN), zusammengesetzt aus Immunologen, Ärzten und Datenwissenschaftlern der MHH, des TWINCORE, des HZI und der Technischen Informationsbibliothek, wird Protokolle zur umfassenden Analyse von Immunzellen einzelner Patienten etablieren und standardisieren. Die gewonnenen Messwerte werden mit anderen Patientendaten und Informationen aus biomedizinischen Datenbanken kombiniert, um so einen „Knowledge-Graph“ zu generieren, der zu einem verbesserten Verständnis des humanen Immunsystems führen wird.
Prof. Dr. Burkhard Tümmler, Medizinische Hochschule Hannover (gemeinsam mit LUH) Im Forschungsvorhaben soll das mikrobielle Atemwegsmetagenom von lungengesunden Probanden, Patienten mit akuten Atemwegsinfekten und von chronisch lungenkranken Patienten (Asthma, COPD, Mukoviszidose, Bronchiektasen) untersucht werden. Metagenomdaten sind Big Data par excellence. Die Datensätze sollen über Maschinenlernen klassifiziert werden mit dem Ziel, die Proben von akuten und chronischen Atemwegsinfektionen anhand des Mikrobiomphänotyps zu identifizieren. Die Metagenom-Pipeline soll für die Krankenversorgung optimiert werden, so dass der anfordernde Arzt umfassender, schneller und kostengünstiger als mit kulturbasierter Diagnostik einen verständlichen mikrobiologischen Befund erhält: Von der Probenahme bis zum Befund in 30 Stunden.
Weitere Projekte mit Beteiligung der MHH
Wege hin zu einer personalisierten Prävention und Behandlung von schwerer Norovirus-Gastroenteritis (PRESENt)
Prof. Dr. Gisa Gerold, HZI (gemeinsam mit MHH, LUH, CiiM) Noroviren verursachen einen Großteil der Gastroenteritiden. Akute Ausbrüche z.B. auf Kreuzfahrtschiffen sowie chronische Infektionen in immungeschwächten Patienten stellen ein Gesundheitsrisiko dar. Dennoch gibt es bisher keinen Impfstoff und keine spezifische Therapie. Mittels datenintensiver Technologien und ‚machine learning‘ Methoden werden die PRESENt Partner aufdecken, welche individuellen Parameter die Anfälligkeit und den Infektionsverlauf beeinflussen. Ziel ist die Entwicklung von Strategien für eine personalisierte Prognose, Prävention und Behandlung schwerer Norovirus Infektionen.
Den Weg zu individuellen Impfungen finden
(i.Vacc), Prof. Dr. Gérard Krause, HZI (gemeinsam mit MHH, CiiM, Hochschule Ostfalia) Mit steigender Anzahl neuer Impfungen steigen die Herausforderungen für die Kombination von Impfstoffen in Bezug auf deren Wirksamkeit, Sicherheit und Akzeptanz. Hierzu sollen neue epidemiologisch und molekular validierte, bioinformatische Algorithmen zu personalisierten Impfempfehlung beitragen. Das Centre for Individualised Infection Medicine (CIIM) vereint hierzu Forscher der NAKO Gesundheitsstudie, des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, der Medizinischen Hochschule Hannover und der Ostfalia, um multidimensionale Daten aus molekularer Forschung und Epidemiologie zu verknüpfen.