Für viele Menschen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz stellt eine Herztransplantation die einzige Überlebensmöglichkeit dar. Steht kein Spenderherz zur Verfügung, kann ein sogenanntes Kunstherz den Patientinnen und Patienten helfen. Vor fünf Jahren wurde in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) das weltweit erste Kunstherz des Typs HeartMate 3 erfolgreich implantiert – das Modell ist kleiner und technisch versierter als sein Vorgänger. Konnte es die Erwartungen erfüllen? Und wie geht es dem Patienten heute?
„Wir haben mit dem Modell sehr gute Erfahrungen gemacht. Durch die technischen Neuerungen kommt es zu weniger Komplikationen, und die Patienten profitieren von der wiedergewonnenen Lebensqualität“, erklärt Professor Dr. Jan Schmitto, Leiter des Profilbereiches Herzunterstützungssysteme sowie aktive kardiale Implantat-Technologien der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG). Dem Patienten, einem inzwischen 61-jährigen Mann aus Hessen, geht es auch nach fünf Jahren weiterhin gut.
Ein Kunstherz ist kein Ersatz für das Herz, sondern ein mechanisches Gerät, das hilft, das Blut durch den Körper zu pumpen, wenn das eigene Herz zu schwach ist. Die MHH ist eines der größten Zentren Europas, die Herzunterstützungssysteme einsetzen. Die HTTG-Klinik versorgt pro Jahr bis zu 100 Patientinnen und Patienten mit einem Kunstherz. Das Gerät, ein Linksherzunterstützungssystem (LVAD, Left Ventricular Assist Device), wird direkt an das Herz des Patienten implantiert. Ein Kabel verbindet das Kunstherz mit der Steuerelektronik und den Batterien, die der Patient außerhalb des Körpers trägt.
Ein Kunstherz eignet sich nicht nur für Patientinnen und Patienten, die auf eine Transplantation warten. Es wird auch zur Dauertherapie eingesetzt, wenn die Betroffenen aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands nicht transplantiert werden können. Es gibt bereits Menschen, die viele Jahre mit einem Kunstherzen leben.
Kurt-Josef M. ist der weltweit erste Patient, dem das Kunstherzsystem HeartMate 3 implantiert wurde. Vor seiner Operation am 25. Juni 2014 betrug seine Herzleistung zeitweise nur noch 13 Prozent. "Ich litt an extremer Luftnot und Erstickungsanfällen und konnte kaum noch laufen", erinnert sich der Mann. Diese Lebenssituation belastete ihn und seine Familie schwer. Es gab nur noch die Möglichkeit einer Herztransplantation oder der Implantation eines Kunstherzens.
"Nach dem Eingriff konnte ich mich relativ schnell erholen und wieder aktiv am Leben teilnehmen", sagt Kurt-Josef M. "Seit der Implantation hat Herr M. vom letzten in das erste Stadium der Herzinsuffizienz zurückgefunden", erklärt Professor Schmitto. Sein Gesundheitszustand erlaubt es ihm, auch wieder seinen Hobbys nachzugehen – Ausflüge mit seinem Motorrad und seinem Oldtimer-Auto. Weil es ihm in warmem Klima besser geht, verbringt M. die Wintermonate mit seinem Wohnmobil in Spanien und Portugal. "Wenn es mal Probleme geben sollte, gibt es auch in den Ländern Krankenhäuser, die sich mit dem Kunstherz auskennen, so dass ich beruhigt auf Reisen gehen kann", sagt der Patient.
Die Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie implantiert Herzunterstützungssysteme unterschiedlicher Hersteller. „Die Indikation, welches System eingesetzt wird, stellen wir immer patientenindividuell. Das hängt unter anderem auch von möglichen Risikofaktoren ab“, erklärt Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der HTTG-Klinik. Das Modell HeartMate 3 der Firma Abbott weist einige technische Neuerungen auf, die das Risiko für Komplikationen bei den Patienten deutlich verringern. So verfügt das Gerät beispielsweise über speziell bearbeitete Oberflächen, die sehr blutverträglich sind und weniger Gerinnselbildung zulassen.
Außerdem wird die Position des Pumpenrotors, der in einem Magnetfeld quasi schwebt, ständig von außen magnetisch korrigiert. Das hat den Vorteil, dass es bei dieser Herzunterstützungspumpe keinerlei Verschleißerscheinungen gibt. Einen weiterer Pluspunkt ist, dass mit HeartMate 3 ein künstlicher Puls erzeugt werden kann. Durch diese Funktion kann das Thrombose-Risiko vermindert werden. Das System erbringt eine Pumpleistung von bis zu zehn Litern Blut pro Minute, was der vollen Leistung eines gesunden Herzens entspricht.
"Mit den Kunstherzsystemen kann nicht nur die Lebenszeit verlängert, sondern auch eine ganz neue Lebensqualität hergestellt werden", sagt Professor Haverich. Angesichts fehlender Spenderorgane gewinnen die Unterstützungssysteme immer mehr an Bedeutung. In Deutschland standen 2018 rund 1.000 Menschen auf der Warteliste für eine Herztransplantation, doch nur etwa 300 Spenderherzen standen zur Verfügung.
"Mit dem Einsatz von Kunstherzen können wir in vielen Fällen verhindern, dass Patienten auf der Warteliste sterben", betont Professor Haverich. Die Technologie der Herzpumpen entwickelt sich rasant. Begriffe wie beispielsweise "Voll implantierbar" und "Miniaturisierung" sind dabei schon jetzt ein Thema und werden es auch in Zukunft bleiben.
(Veröffentlicht: 26. Juni 2019)