Leibniz Universität: Zwei neue Sonderforschungsbereiche
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert mit rund 18 Millionen die Planung von Offshore-Windenergieanlagen der Zukunft und die Erfassung von Klimawandelprozessen mit unerreichter Genauigkeit.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat grünes Licht für die Einrichtung der beiden von der Leibniz Universität geführten Sonderforschungsbereiche (SFB) "Offshore-Megastrukturen" und "TerraQ" gegeben. Universitäts-Präsident Prof. Dr. Volker Epping erklärt dazu mit großer Freude: "Die Bewilligung der beiden neuen SFBs ist ein großer Erfolg für die Leibniz Universität. Sie ist ein Beleg für die exzellente Leistungsfähigkeit unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unterschiedlichsten Bereichen. Die SFB-Stärke der LUH trägt maßgeblich zur auch internationalen Sichtbarkeit der LUH bei. Ich danke allen Beteiligten für ihr hohes Engagement und die hervorragende Arbeit."
Sonderforschungsbereich Offshore-Megastrukturen
Im Sonderforschungsbereich "Offshore-Megastrukturen" werden neue Konzepte für die Offshore-Windenergieanlagen von morgen entwickelt. Sie sollen einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten. Zukünftige Anlagen werden dabei deutlich größer sein als heutige: über 300 Meter Gesamthöhe und mit Rotoren mit mehr als 280 Metern Durchmesser. Damit unterliegen sie kaum bekannten Einwirkungen, beispielsweise durch Windbedingungen, die sich in Höhen von über hundert Metern ausbilden können. Aufgrund ihrer Abmessungen und der dafür nötigen filigraneren Bauweise werden Umgebungseinflüsse, aber auch Interaktionen einzelner Bauteile untereinander relevanter. Heute etablierte Methoden für Entwurf und Betrieb von Windenergieanlagen sind für Bauwerke dieser Größe nicht mehr anwendbar. Ziel des Sonderforschungsbereichs ist die Erforschung physikalischer und methodischer Grundlagen, basierend auf dem Konzept eines digitalen Zwillings. Der digitale Zwilling ist ein individuelles Simulationsmodell zur Entwicklung einer integrierten Entwurfs- und Betriebsplanung.
Klassische Simulationsmodelle
Für den Betrieb zukünftiger Windparks sind für jede einzelne Anlage während der gesamten Lebensdauer präzise Informationen über den Zustand und das dynamische Verhalten der Tragstruktur und der Rotorblätter sowie Kenntnisse über die Auswirkungen sich ändernder Umgebungs- und Betriebsbedingungen erforderlich. Klassische Simulationsmodelle sind in der Regel identisch für alle Anlagen in einem Windpark und fokussieren vor allem auf die Tragfähigkeit. Aspekte wie Fertigung, Installation sowie Betrieb und Rückbau werden hingegen nachrangig berücksichtigt.
Digitaler Zwilling
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs werden die Forschenden daher mit dem digitalen Zwilling eine Methode entwickeln, die alle diese Details integriert. Der digitale Zwilling ist ein gekoppeltes Gesamtmodell einer konkreten Windenergieanlage, das mit Hilfe von Messdaten an den aktuellen Zustand der realen Struktur (des realen Zwillings) angepasst wird. So ergeben sich Simulationsmodelle, die einzelne, reale Anlagen über die gesamte Lebensdauer beschreiben und immer an den aktuellen Zustand angepasst werden können.
Windenergieanlagen sicher, wirtschaftlich und ressourcenschonend entwerfen und betreiben
"Mit Hilfe des digitalen Zwillings können zukünftige Windenergieanlagen sicher, wirtschaftlich und ressourcenschonend entworfen und betrieben werden", erläutert Professor Rolfes von der Leibniz Universität Hannover und designierter Sprecher des Sonderforschungsbereichs. Dies ermögliche Anlagen, die im Vergleich zu heutigen Modellen eine effizientere Stromerzeugung und kontinuierlichere Stromeinspeisung bieten und – bezogen auf ihre Leistung – schneller aufgebaut und kostengünstiger in der Wartung sind.
Zusammenschluss von vier Forschungseinrichtungen
Für den Sonderforschungsbereich 1463 „Integrierte Entwurfs- und Betriebsmethodik für Offshore-Megastrukturen“ haben sich vier Forschungseinrichtungen unter der Leitung der Leibniz Universität Hannover zusammengeschlossen. Neben der LUH sind die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Technische Universität Dresden beteiligt. An der Leibniz Universität sind insgesamt zehn Institute der Fakultäten für Bauingenieurwesen und Geodäsie, für Maschinenbau, für Mathematik und Physik und für Elektrotechnik und Informatik involviert. Ein Großteil der beteiligten Institute der Leibniz Universität Hannover und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sind bereits im Forschungsverbund ForWind vernetzt. Laufzeit ist vom 01. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2024 mit der Möglichkeit der Verlängerung bis 2032. Die Fördersumme beträgt rund 8,5 Millionen Euro.
Sonderforschungsbereich TerraQ
Die Erdanziehungskraft ist keine statische Größe. Veränderungen der Massenverteilung – etwa durch Schwankungen des Grundwasserspiegels oder der Meereshöhe – führen zu minimalen Änderungen des Schwerefelds. Diese Änderungen sind messbar und spiegeln somit klimarelevante Prozesse in einzigartiger Weise wider. Die zugrundeliegenden Prozesse sind jedoch noch nicht ausreichend verstanden, auch da existierende Messkonzepte und Sensoren zur Bestimmung der Schwerefeldvariationen bisher nur eine ungenügende räumlich-zeitliche Auflösung erreichen. Ein Forschungskonsortium unter Leitung der Leibniz Universität Hannover will im Sonderforschungsbereich (SFB) TerraQ nun neue quanten-basierte Methoden für entsprechende Messungen im Weltraum und auf der Erde mit bisher unerreichter Genauigkeit entwickeln. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben zunächst bis 2024 mit rund 9,6 Millionen Euro.
Entwicklung neuer Messtechniken, Sensoren und Analysemethoden
Im Sonderforschungsbereich werden rund 60 Wissenschaftler aus der Geodäsie und der Physik grundlegend neue Messtechniken, Sensoren und Analysemethoden entwickeln. "Damit können wir die gravimetrische Erdbeobachtung wesentlich verbessern und einen essentiellen Beitrag für die Klimaforschung liefern, mit enormen Auswirkungen auf das gesamte Feld der Geowissenschaften", erläutert Professor Jürgen Müller vom Institut für Erdmessung der Leibniz Universität und designierter SFB-Sprecher.
Laser-gestützte Systeme
Schon heute kann der variierende Abstand zweier Satelliten, die die Erde auf einer niedrigen Bahn umkreisen, präzise gemessen und damit die Gravitationskraft der Erde und ihre zeitlichen Variationen – also der Massenvariationen, die wichtige Indikatoren für Klimawandelprozesse sind – global sehr exakt bestimmt werden. In TerraQ werden die Forschenden nun unter anderem laser-gestützte Systeme entwickeln, um diese Abstandsmessungen in der Erdumlaufbahn auf das nächste Genauigkeitsniveau zu heben. Für den Einsatz auf der Erde erforschen sie Quantensensoren für die schnelle und präzise Schweremessung zur Erfassung von kleinräumigen Prozessen, wie Änderungen der Grundwasserspeicher. Diese Entwicklungen umfassen sowohl kompakte, mobile Geräte für Messkampagnen in geowissenschaftlich interessanten Gebieten wie auch große stationäre Geräte mit extremer Präzision. Darüber hinaus werden auch Atom-Uhren zur Bestimmung des Schwerefeldes eingesetzt – eine völlig neue Messmethode für die Geodäsie. Hier nutzen die Forschenden Eigenschaften der Einstein’schen Relativitätstheorie aus.
Zusammenschluss von sieben Forschungseinrichtungen
Im Sonderforschungsbereich 1464 TerraQ – Relativistische und quanten-basierte Geodäsie haben sich sieben Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen: Leibniz Universität Hannover, DLR-Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik Hannover, Physikalisch Technische Bundesanstalt Braunschweig, Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation Bremen, GeoForschungsZentrum Potsdam, HafenCity Universität Hamburg und Technische Universität Graz. Die Leibniz Universität ist als Sprecherhochschule federführend und mit dem Institut für Erdmessung, dem Institut für Gravitationsphysik und dem Institut für Quantenoptik beteiligt. Laufzeit ist vom 01. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2024 mit der Möglichkeit der Verlängerung bis 2032.