MHH: Genkorrektur als mögliche Therapie bei Eisenspeicherkrankheit
Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule setzt die als „Genschere“ bekannten CRISPR/Cas-Technologie zur Reparatur einer Mutation bei der angeborenen Stoffwechselerkrankung primäre Hämochromatose ein.
Die erblich bedingte primäre Hämochromatose gehört zu den häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen in Europa. Bei dieser auch als Eisenspeicherkrankheit bezeichneten Störung kommt es zu einer Überladung des Körpers mit Eisen. Das überschüssige Eisen lagert sich in Organen und Geweben an und führt zur langsam fortschreitenden Schädigung von Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Hirnanhangsdrüse und Gelenken. Dadurch können Veränderungen des Herzmuskels (Kardiomyopathien) oder Diabetes mellitus (Bronzediabetes) entstehen, bis hin zu Vernarbungen des Lebergewebes (Leberzirrhose) und Leberkrebs. Ursache ist ein Gendefekt, der die Regulierung der Eisenaufnahme über die Dünndarmschleimhaut stört. Ein Forschungsteam um Professor Dr. Michael Ott und Dr. Simon Krooss aus der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt einen Weg gefunden, die Erbkrankheit mit Hilfe einer gezielten Genkorrektur zu behandeln. Die Arbeit ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht worden.
Steuerung der Eisenaufnahme defekt
„Die Eisenspeicherkrankheit beruht in den meisten Fällen auf einem Defekt im Hämochromatose-Gen HFE, das auf Chromosom 6 liegt“, sagt Professor Ott. Sie tritt nur bei Menschen auf, die diesen Defekt von beiden Elternteilen geerbt haben, also kein „gesundes“ Gen als Ausgleich besitzen. Bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen findet sich in beiden Ausfertigungen des HFE-Gens eine bestimmte Veränderung, C282Y-Mutation genannt. Diese führt zum Austausch einer Aminosäure – also eines Eiweißbausteins – im HFE-Protein. Das HFE-Protein verliert dadurch seine Fähigkeit, die Eisenaufnahme in die Darmzellen zu steuern. Um die Eisenspeicher zu leeren und die Eisenkonzentration im Körper zu normalisieren, müssen und Patienten lebenslang Aderlässe in Kauf nehmen. „Das ist belastend und funktioniert zudem nicht bei allen“, gibt der Hepatologe zu bedenken. Medikamente, die das Eisen direkt im Körper binden und so neutralisieren, sind aufgrund starker Nebenwirkungen ebenfalls nicht ideal.
Zelle startet Reparaturprogramm
Die MHH-Forschenden verfolgen deshalb einen anderen Ansatz. Sie nutzen die körpereigenen Reparaturmechanismen, um das defekte HFE-Gen zu reparieren. Mit Hilfe der als „Genschere“ bekannten CRISPR/Cas-Technologie und einem mitgeführten biotechnologischen Werkzeug haben sie gezielt einen winzigen fehlerhaften Baustein im mutierten HFE-Gen verändert. In der Fachsprache wird das Verfahren als Base-Editing bezeichnet. Das Besondere dieser Genreparatur: Die Genschere wurde so eingesetzt, dass sie nicht wie in der klassischen Anwendung einfach den DNA-Doppelstrang an der gewünschten Stelle komplett zerschnitt. „Der Doppelstrangbruch birgt immer auch ein gewisses Risiko für unerwünschte Mutationen“, sagt der Arzt und Wissenschaftler. Beim Base Editing werden die beiden Einzelstränge dagegen voneinander gelöst und nur einer von ihnen verändert. „Dadurch startet die Zelle automatisch ihr natürliches Reparaturprogramm und baut das korrekte Nukleotid auch im zweiten Strang ein, so dass die C282Y-Mutation im gesamten Doppelstrang verschwindet“, erklärt Dr. Krooss.
Mausmodell: Eisenwerte im Blut sinken deutlich
Diesen biotechnologischen Trick hat das Forschungsteam im Mausmodell untersucht. Mit einer einzigen Injektion lag die Rate der Genkorrektur bei zwölf Prozent. „Das ist ein großer Erfolg, denn die meisten genetischen Erkrankungen lassen sich schon kontrollieren, wenn fünf Prozent der Zellen das korrekte Gen aufweisen“, betont Dr. Alice Rovai, Erstautorin der Studie. Die Eisenwerte im Blut seien vier Monate nach dem Eingriff bereits deutlich gesunken. Außerdem rechnen die Forschenden damit, dass sich nach zwölf Monaten eine weitere Senkung des Eisenspiegels zeigen wird. „Das Reparatursystem ist träge, es dauert also eine gewisse Zeit, bis weitere Leberzellen die Genkorrektur vornehmen.“
Injektion statt Transplantation
Doch das Forschungsteam will mehr. Bislang haben sie das CRISPR/Cas-System mit dem molekularen Werkzeug in einem sogenannten viralen Vektor – auch als Gentaxi bezeichnet – verpackt und per Injektion in die Maus verabreicht. In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden versuchen, nur den mRNA-Bauplan für das Base-Editing-System zu versenden – ähnlich wie bei den mRNA-Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. „Das ist sicherer und effizienter, weil wir auf den viralen Vektor verzichten können, und erhöht die Erfolgsrate möglicherweise auf 30 bis 40 Prozent“, hofft Dr. Krooss. Gelingt das und funktioniert die Anwendung dann auch beim Menschen, könnte eine einzelne Injektion in Zukunft schwer an Hämochromatose erkrankte Menschen vor Leberkrebs und Organentfernung bewahren. „Injektion statt Transplantation“, sagt Leberforscher Ott. Zudem könnte das Base-Editing eine Therapiemöglichkeit für viele angeborenen Erkrankungen sein, deren Ursache ein einzelnes schadhaftes Gen ist.
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