Die bundesweite Grundsteuerreform erfordert eine Änderung der Hebesatzsatzung der Landeshauptstadt Hannover für die Festsetzung der Grundsteuern. Mit der Maßgabe, dass die finanzielle Gesamtwirkung für die Stadt aufkommensneutral sein soll, schlägt die Verwaltung dem Rat der Stadt vor, den Hebesatz der Grundsteuer A von bisher 530 auf 600 Prozent und der Grundsteuer B von aktuell 700 auf 900 Prozent anzuheben. Grund für diesen Schritt ist, dass das Finanzamt die Steuermessbeträge geändert und auf Basis einer vollkommen anderen Berechnungsgrundlage festlegen musste. Die Auswirkungen für Grundstückseigentümer*innen werden sehr unterschiedlich sein.
Vorausgegangen ist ein Grundsteuer-Reformgesetz, das notwendig geworden war, nachdem das Bundesverfassungsgericht im April 2018 die Regelungen für die Bewertung von Grundstücken für verfassungswidrig erklärt hatte. Mit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung befasst sich der Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung am 13. November. Die Entscheidung durch den Rat ist für Dezember vorgesehen. Die neue Hebesatzsatzung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.
„Mit dem Vorschlag für die künftigen Hebesätze lösen wir das Versprechen ein, nach der Reform nicht mehr Grundsteuer zu vereinnahmen als heute. Aufgrund der neuen Berechnungsweise sind die individuellen Auswirkungen jedoch sehr unterschiedlich“, sagt Dr. Axel von der Ohe, Hannovers Erster Stadtrat und Dezernent für Finanzen, Ordnung und Feuerwehr. „Insgesamt werden die Grundsteuererträge der Stadt gleich bleiben. Innerhalb der Gesamtsumme wird es aber zu Verschiebungen kommen, die sowohl Belastungen, als auch Entlastungen für zahlreiche Steuerpflichtige bedeuten. Das ist vom Bundesverfassungsgericht auch so beabsichtigt. Wir als Stadt definieren den Hebesatz. Die jetzt feststellbaren Verschiebungen ergeben sich aber vor allem aus den vom Finanzamt festgelegten Grundsteuermessbeträgen“, führt der Stadtkämmerer weiter aus.
Für die Durchführung der aufwändigen Arbeiten, die im Interesse der Landeshauptstadt Hannover liegen, bedankt sich der Kämmerer ausdrücklich bei der Finanzverwaltung des Landes und den Mitarbeiter*innen des Finanzamtes-Süd im Besonderen.
Dreistufiges Berechnungsverfahren mit Äquivalenzbetrag
Für die Ermittlung der Grundsteuer B – das ist die Steuer auf alle Gebäude sowie bebauten und bebaubaren Grundstücke – gilt in Niedersachsen auch künftig ein dreistufiges Berechnungsverfahren. Neu an der ersten Stufe ist ein sogenannter Äquivalenzbetrag, den das zuständige Finanzamt feststellt. Er dient als Grundlage für die Ermittlung des Grundsteuermessbetrags. Der ermittelte Äquivalenzbetrag wird in der nächsten Stufe mit der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl multipliziert. Das ergibt den Grundsteuermessbetrag. Dieser ist die Basis für die Festsetzung der Grundsteuer durch die Stadt oder Gemeinde. In der dritten Stufe schließlich wird der Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert, um die endgültige Grundsteuer zu ermitteln.
Während die meisten Bundesländer für die neue Grundsteuer B auf ein wertabhängiges Modell setzen, hat das Land Niedersachsen von der Option einer Abweichung Gebrauch gemacht. Hier basiert das Grundsteuerrecht auf einem „Äquivalenzgedanken“. Ausgangspunkt ist dabei das kommunale Nutzenangebot, das den Einwohner*innen über das Eigentum an den steuergegenständlichen Grundstücken zur Verfügung steht und nicht als individuelle Leistung über Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben individuell abgerechnet wird. Kommunen finanzieren dieses Nutzungsangebots (Infrastruktur) – dazu gehören zum Beispiel Brandschutz, Schulen, Spielplätze, kulturelle Einrichtungen und Wirtschaftsförderung – im Wesentlichen über die Realsteuern, zu denen die Grundsteuer gehört. Der Äquivalenzbetrag basiert auf der Flächengröße und der nutzungsabhängigen Äquivalenzzahl (grundsätzlich 4 Cent je Quadratmeter Grundstücksfläche und 50 Cent je Quadratmeter Gebäudefläche), dem Lage-Faktor und der Steuermesszahl (grundsätzlich 100 Prozent; für Wohnflächen 70 Prozent).
Bundeseinheitliche Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und Flächen
Die Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe und Flächen – Grundsteuer A - erfolgt bundeseinheitlich. Eigene Landesmodelle gibt es hier nicht. Zum Tragen kommt dabei ein typisierendes Ertragswertverfahren. Für jede Nutzungsart wird ein Reinertrag ermittelt. Dabei werden Bewertungsfaktoren zugeordnet, die den durchschnittlichen Ertrag je Flächeneinheit widerspiegeln. Ertragswertsteigernde Umstände wie etwa eine verstärkte Tierhaltung werden beispielsweise durch pauschale Zuschläge berücksichtigt. Sind Grundstücke einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen, ist eine Steuermesszahl von 0,55 Promille anzuwenden.
Hintergrund
Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basierte auf jahrzehntealten Grundstückswerten, den sogenannten Einheitswerten. Weil sich die Werte von Grundstücken sehr unterschiedlich entwickelt haben, kam es auf Basis der Einheitswerte zu erheblichen steuerlichen Ungleichbehandlungen. Außerdem wurden die vorhandenen Werte, anders als die gesetzlichen Regelungen dies vorgesehenen haben, nicht regelmäßig durch Fortschreibungen angepasst, sondern auf dem Stand des Jahres 1964 belassen. Beides war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht zu rechtfertigen. Weil gleichartige Grundstücke ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wurden, verstieß die Bewertung gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung.
Das Bundesministerium der Finanzen und nahezu alle Bundesländer haben sich bereits früh auf ein wertabhängiges Modell der neuen Grundsteuer verständigt. Weil die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages für die Grundsteuer jedoch nicht einheitlich beurteilt wurde, wurde durch eine ausdrückliche Verankerung im Grundgesetz abgesichert. Mit der Grundgesetzänderung erhielt der Bund uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer. Den Ländern wurde zugleich über eine Ergänzung des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet. Niedersachsen hat die Abweichungskompetenz, das Bundesmodell zu modifizieren, genutzt und für die Grundsteuer B eigene Reglungen im Niedersächsischen Grundsteuergesetz getroffen.