Gesundheit: MHH-Forscher haben nachgewiesen, dass schon leichte Zahnfleischentzündungen ein ernst zu nehmendes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen darstellen.
Viele Menschen kennen das: Beim Zähneputzen kommt es zu leichten Blutungen des Zahnfleisches. Passiert das regelmäßig, kann es ein Hinweis auf eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) sein. "Etwa 90 Prozent der Bevölkerung haben Gingivitis, und die meisten Menschen empfinden es als ganz normal, dass das Zahnfleisch an der ein oder anderen Stelle mal bluten kann", sagt Professor Dr. Jörg Eberhard von der MHH-Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomedizinische Werkstoffkunde. Bei einer gemeinsamen Studie mit der MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie kam jetzt heraus, dass bereits diese leichten Zahnfleischentzündungen das Risiko für Arteriosklerose – im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt – erhöhen.
Zahnfleischentzündung schwer als Krankheit erkennbar
Für Laien ist eine Gingivitis kaum als Krankheit erkennbar, weil die Symptome nicht besonders schwer sind. Das Zahnfleisch ist teilweise leicht angeschwollen, und beim Kauen harter Nahrung oder beim Zähneputzen kommt es zu geringen Blutungen. Ursache der Gingivitis ist meist, dass nicht alle Zahnflächen ausreichend gereinigt werden. Denn die Entzündung verursachen bakterielle Beläge. "Bei der Gingivitis ist nur das Zahnfleisch betroffen, die tiefer liegenden Strukturen des Zahnhalteapparates werden nicht angegriffen", sagt Professor Eberhard.
Erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen
Ganz anders bei der Parodontitis: Dabei handelt es sich ebenfalls um eine bakteriell bedingte Entzündung. Diese führt aber zu irreversiblen Schäden am Zahnhalteapparat, das heißt zu Knochenabbau bis hin zu Zahnverlust. "Von der Parodontitis ist seit Längerem bekannt, dass sie das Risiko für Arteriosklerose und damit das Herzinfarktrisiko, aber auch für andere chronische Entzündungserkrankungen wie beispielsweise rheumatoide Arthritis erhöht", sagt Privatdozent Dr. Karsten Grote von der MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie. Mit einer interdisziplinären Studie konnten die MHH-Forscher nachweisen, dass das auch für die Gingivitis gilt.
37 Studienteilnehmer
Insgesamt 37 Männer und Frauen unter 25 Jahren standen den Forschern für die Studie zur Verfügung. Sie waren allesamt Nichtraucher, hatten ein gesundes Gebiss und keine kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Risikofaktoren dafür. Die Probanden erklärten sich dazu bereit, sich drei Wochen lang die rechte Seite der Oberkieferzähne nicht zu putzen. Innerhalb dieses Zeitraums bekamen alle eine Gingivitis. "Wenn das Zahnfleisch blutet, werden Bakterien und deren Produkte ausgeschwemmt und gelangen in die Blutbahn", sagt Grote. "Wir haben das Blut der Probanden untersucht und konnten beispielsweise eine deutliche Erhöhung des Entzündungsmarkers CRP feststellen, der auch bei Herzinfarkt eine Rolle spielt. Auch das Interleukin 6, eine Signalsubstanz des Immunsystems, die bei Entzündungsprozessen wichtig ist, konnte vermehrt nachgewiesen werden. Zudem zeigten spezielle Immunzellen (Makrophagen) der Studienteilnehmer eine erhöhte Aktivität.
Mundhygiene hilft
Für die Forscher ergab die Studie klare Anzeichen dafür, dass Gingivitis ein ernst zu nehmendes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen darstellt. "Deshalb sollten leichte Zahnfleischblutungen nicht ignoriert werden", sagt Eberhard. "Mit gewissenhafter Mundhygiene kann man einer Gingivitis vorbeugen und sie auch bekämpfen." Zur Mundhygiene gehört für den Zahnexperten aber nicht nur die individuelle Zahnpflege zu Hause, sondern auch die professionelle Zahnreinigung durch eine speziell ausgebildete Fachkraft in einer Zahnarztpraxis. Dabei werden auch hartnäckige Beläge und Zahnstein in den Zahnzwischenräumen entfernt – dort, wo die Zahnbürste nicht hinkommt.