Der 1920 geborene Ernest Wertheim erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitseinsatz im Schulgarten der Israelitischen Gartenbauschule. Über 80 Jahre ist das her, als er mit den anderen Schülern unter der Aufsicht des Direktors Levy Rosenblatt in den Rhabarber musste. Die Gärtnerausbildung hatte er sich nicht so anstrengend vorgestellt. Doch Rosenblatt, ein ehemaliger Offizier, sorgte im Schulgarten mit militärischem Drill für Ordnung im Rhabarberbeet. Als er Wertheim beim ungeschickten Hantieren mit dem Spaten erwischte, ermahnte er ihn streng. "Junger Mann, die Männer, die hier graduieren, lernen hart mit dem Spaten zu arbeiten", so Levy zu seinem Schüler. "Es war eine sklavische Zeit, aber eine wundervolle", erinnerte sich Wertheim an das Jahr 1934. Kurz darauf nahm sein Leben eine schreckliche Wendung. Als Jude wurden er und seine Familie in Deutschland verfolgt. Seine Eltern wurden von den Nazis ermordet. Wertheim selber konnte 1938 aus Deutschland fliehen. Seine Ausbildung in Ahlem hat ihm geholfen, ein neues Leben als erfolgreicher Gärtner in den USA zu beginnen. Als er dort angekommen nach Arbeit suchte, fragte ihn seine erste potenzielle Auftraggeberin prüfend, ob er auch mit dem Spaten umzugehen wisse. "Und ob ich weiß, mit dem Spaten umzugehen", habe er damals stolz geantwortet. An die Zeit in Ahlem erinnert sich Wertheim daher gern zurück. Vor der Nazi-Ideologie dagegen warnt er heute auf Vorträgen an Universitäten und Schulen.
(Text von Mario Moers)