Am 4. April 2017 verstarb überraschend Henny Simon, die als 16jährige im Dezember 1941 von Hannover nach Riga deportiert worden war und das Ghetto sowie den „Todesmarsch“ am Kriegsende überlebte.
Henny Rosenbaum wurde als Tochter von Malermeister Ludwig Rosenbaum (1881–1964) und Jenny Rosenbaum, geb. Jacobowitz (1890–1944), am 15. Juli 1925 in Hannover geboren. Im Sommer 1938 verhafteten die Nationalsozialisten Ludwig Rosenbaum; erst als seine Frau Jenny eine Fahrkarte für Shanghai für ihn erwirkte, wurde er entlassen und musste Deutschland verlassen. Ein Foto von sich, das er seiner Frau und Tochter aus Shanghai nach Hannover schickte, wurde im Dezember 2016 in der Ausstellung „8 Objekte – 8 Schicksale“ im Neuen Rathaus gezeigt.
Henny Rosenbaums behinderten Bruder Hans (Jg. 1920) verschleppten die Nationalsozialisten aus einem Wohnheim in die Tötungsanstalt Brandenburg und ermordeten ihn am 27. September 1940 im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion „T4“. Henny Rosenbaum und ihre Mutter Jenny besaßen schon Pässe und Fahrkarten für Shanghai, als man sie am 15. Dezember 1941 nach Riga deportierte. Bei einem Appell umgeworfen, kam die Mutter mit einem Oberschenkelhalsbruch in das Lazarett des KZ Kaiserwald und wurde von dort aus in den Wald von Biķernieki gebracht und ermordet.
Henny Rosenbaums neuntägiger Todesmarsch endete mit der Befreiung am 29. Januar 1945 im polnischen Wałcz. Noch in Polen heirateten sie und Avram Markiewicz (gest. 1976). Das Paar zog nach Hannover. Avram Markiewicz kaufte in der Innenstadt ein Geschäftshaus in der Herschelstraße, doch Ende 1949 wanderte das Paar in die USA aus. Dort lebte Hennys Vater Ludwig Rosenbaum bis zu seinem Tod 1964 mit auf ihrer Farm. Für ihre Mutter und ihren Bruder wurden 2007 in der Vahrenwalder Str. 67 in Hannover Stolpersteine verlegt.
Jahrelang sprach Henny Simon nicht einmal mit ihrer engsten Familie über das erlittene Leid. Dennoch ließ es sie nicht los, sie litt immer wieder unter Schlaflosigkeit und Angstzuständen. 1985 rang sie sich aber durch, ihre Erinnerungen für Vorträge vor amerikanischen Studenten aufzuschreiben.
1991 kehrte sie zunächst „mit schwerem Herzen“ zum ersten Mal seit 1949 nach Deutschland zurück, als die Stadt Hannover die wenigen Überlebenden des Transports nach Riga zum 50. Jahrestag der Deportation einlud. Während dieses Besuchs sagte sie noch in einem Interview mit dem NDR: „Mein Herz friert, wenn ich Deutsch höre“. Dieser Besuch sollte der erste von mehreren werden, die es Henny Simon allmählich ermöglichte, sich mit dem Land ihrer Geburt zu versöhnen.
Bei ihrem Besuch anlässlich des 70. Jahrestags der Riga-Deportation 2011 sagte sie stellvertretend für alle Überlebenden: „Wir haben eine Brücke der Freundschaft gebaut und heute ist sie fertig gestellt. Wir alle reichen ihnen in Freundschaft die Hand, in der Hoffnung, dass diese Brücke nie wieder zerbricht.“
Sie wird uns als mutiger, redegewandter und aufgeschlossener Mensch sehr herzlich in Erinnerung bleiben.