In den Goldenen Zwanzigern gab es fast 500 Stände in der Markthalle
Die erste städtische Markthalle in Hannover war mindestens ebenso bildschön und groß wie ihr Vorbild, die "Galerie des Machines“ auf der Weltausstellung in Paris von 1889. Anlass für den größte Stahl- und Glasbau des damaligen deutschen Kaiserreichs war die Bestrebung, die über 2.000 Verkäufer auf dem Wochenmarkt in der nahen Altstadt samt ihren Fahrzeugen von der Straße zu bekommen und die entsetzlichen hygienischen Zustände zu beseitigen. Auf den rund 4.000 Quadratmetern im 84 Meter langen, 48 Meter breiten und 20 Meter hohen Jugendstilgebäude war Platz für genau 243 Markthallenhändler. 30 Jahre nach der Eröffnung am 18. Oktober 1892 hatte sich die Zahl der Stände bereits verdoppelt.
Allein 179 Stände für Fleisch- und Wurstwaren
Natürlich war diese nun deutlich organisierte und kleinere Ansammlung von Ständen (die damals noch zum Schutz vor Langfingern und herumstreunenden Katzen vergittert waren) unter einem Markthallendach für damalige Verhältnisse ein großer Fortschritt und eine enorme Verbesserung der auf Dauer unzumutbaren Lage zuvor. Aber es ist schwer vorstellbar, dass die Atmosphäre dort ebenso angenehm und einladend war wie sie heute ist – insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich die anfängliche Zahl von 243 Ständen sich in nur drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt hatte. Das Markthallen-Magazin "Gourmet Guide" berichtet von 493 Ständen im Jahr 1928, darunter 179 Stände mit Fleisch- und Wurstwaren, 9 Stände mit Fischspezialitäten (zu denen übrigens auch die Familie Schweer gehörte, die sich regelmäßig mit ihrer Pferdekutsche von Steinhude auf den Weg in die Markthalle von Hannover machte, um dort ihren am Vortag im Steinhuder Meer gefangenen Fisch zu verkaufen), 156 Stände mit Obst- und Grünwaren, 21 Stände mit Blumen, 74 Stände für Eier, Butter und Käseprodukte sowie 54 Stände mit sonstigen Waren.
Grund für diesen rasanten Anstieg von Markthallenständen in nur drei Jahrzehnten war die ebenfalls rasante Entwicklung der Einwohnerzahl von Hannover: Nur drei Jahre nach der Eröffnung der ersten städtischen Markhalle im Herbst 1892 ergab die Volkszählung vom 2. Dezember 1895 eine Einwohnerzahl von 209.535, Ende 1919 waren es schon 321.200 und 1928 wohnten 438.00 Menschen in Hannover (Quelle: Stadt Hannover).
Früher wurde die Frische der Butter mit dem Daumennagel geprüft
Und so ging es in diesen Tagen in Hannovers Markthalle zu (aus: http://www.der-bauch-von-hannover.de/p_historie): "Kohlköpfe und Gemüse wurden zu beiden Seiten des Mittelganges fein säuberlich aufgeschichtet, frische Landeier gestapelt, Hasen und Rehe langgestreckt nebeneinander gelegt und das gackernde Geflügel der Kiepenleute in Kästen gesetzt. Und wer kaufte? Nicht nur Hausfrauen und Köchinnen, sondern auch die ‚faaneren Däömen’. [...] Weniger beliebt waren damals aber jene Madams, die von Buttertisch zu Buttertisch gingen und mit dem Daumennagel eine ‚Stich’-Probe nahmen, um so die Frische zu prüfen. Dies war um die Jahrhundertwende durchaus Brauch, bis hygienische Einwände erhoben wurden. Später nahm man eine Haarnadel, die man aus dem ‚Dutt’ zog, bis auch das moniert wurde. Das Pfund grobe Mettwurst war damals für 1 Mark zu haben, Leberwurst kostete nur 65 Pfennige."