Mikroorganismen

Vorgänge im Belebungsbecken 3

Mikroskopaufnahmen Mikroorganismen

Für Leser mit Fachkenntnissen

 

Grundsätzlich sind in allen Gewässern in der Natur Mikroorganismen, vor allem Bakterien und tierische Einzeller, vorhanden, die organische Schmutzstoffe als Nahrung aufnehmen. Sie gewinnen dadurch Energie für ihre Lebensvorgänge und verwandeln die Schmutzstoffe in körpereigene Substanz, Kohlendioxid, Wasser und Mineralstoffe. Diese Mikroorganismen sind Aerobier und benötigen den im Wasser gelösten Sauerstoff zum Leben. Da dieser nur im begrenzten Maße vorhanden ist, wird auch das Selbstreinigungsverfahren begrenzt. Der biochemische Abbau sauerstoffzehrender Verschmutzungen läuft im Gewässer zeitlich in zwei Stufen ab und ist temperaturabhängig. Werden zu viele Schmutzstoffe in das Gewässer eingebracht, kommt es zu einer Sekundärverschmutzung durch Eutrophierung. Die organischen Schmutzstoffe wirken düngend und führen zu einem stärkeren Wachstum von Pflanzen und Algen, die wiederum den im Wasser gelösten Sauerstoff verbrauchen bis keiner mehr vorhanden ist. Lebewesen wie Tiere und Pflanzen sterben dann entweder durch Sauerstoffmangel oder Schwefelwasserstoffbildung (H2S).

Durch „optimale Bedingungen“ in der Belebungsanlage können die Mikroorganismen sich gut vermehren und gut arbeiten. Das bedeutet: durch künstliche Zuführung von Sauerstoff und künstliche Verdichtung der Mikroorganismen wird der Reinigungsprozess stark intensiviert und die zur Reinigung erforderliche Zeit auf Stunden verkürzt. In den biologischen Becken der hannoverschen Klärwerke beschäftigen sich ca. 1 Quadrillion, also etwa 1.000.000.000.000.000.000.000.000 Mikroorganismen mit dem Abbau der gelösten Schmutzstoffe aus dem Abwasser. Die gelösten Schmutzstoffe sind- Kohlenstoffverbindungen (Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette) aus Nahrungsmittelresten,- Stickstoffverbindungen aus Harnstoff (Urin) in Form von Ammoniumstickstoff (NH4-N)-Phosphate (PO4) aus Waschwasser, Wasserenthärtern.

In der Belebungsanlage siedeln sich die Mikroorganismen, von denen die organischen Schmutzstoffe abgebaut werden, in Kolonien auf vorhandenen, fein verteilten Schweb- und Feststoffen an und bilden als Flocken den belebten Schlamm. Das Abwasser aus der mechanischen Reinigungsstufe wird im Belebungsbecken mit diesem Belebtschlamm vermischt. Die Zusammensetzung des Belebtschlammes passt sich der Abwasserzusammensetzung an und kann daher von Kläranlage zu Kläranlage aber auch jahreszeitlich variieren. Große Rührwerke sorgen dafür, dass sich der Belebtschlamm nicht am Boden absetzt. Das Belebungsbecken ist in mehrere Zonen unterteilt. In der Nitrifikation wird Sauerstoff eingeblasen. Es herrschen aerobe Verhältnisse, das heißt, Sauerstoff liegt hier in gebundener und ungebundener Form vor. In der Denitrifikation herrschen anoxische Verhältnisse, das heißt, hier befindet sich durch Verstoffwechslung der Schmutzstoffe durch die Mikroorganismen nur gebundener Sauerstoff (in Form von Nitrat), während sich im Anaerobbecken überhaupt kein Sauerstoff befindet. Es herrschen anaerobe Verhältnisse.

Die verschiedenen Mikroorganismen benötigen diese unterschiedlichen Zonen um die ebenfalls unterschiedlichen Schmutzstoffe optimal aus dem Abwasser zu entfernen. Gezielt findet jetzt Kohlenstoffabbau, Stickstoffabbau und Phosphateleminierung statt. Durch die Anordnung der einzelnen Zonen laufen diese Reinigungsprozesse gleichzeitig ab. Da diese sich gegenseitig ergänzen und einzeln nicht ablaufen würden, sind die Zonen teilweise geschickt miteinander verknüpft.

Den Hauptanteil der gelösten organischen Stoffe bilden die Kohlenstoffverbindungen. Sie werden unter aeroben Verhältnissen zuerst umgesetzt. In einer zweiten Teilreaktion erfolgt die biochemische Umsetzung der Stickstoffverbindungen. Mit Hilfe des eingeblasenen Sauerstoffs wird Ammoniumstickstoff (NH4-N) über die Zwischenstufe Nitrit (NO2) zum Nitrat (NO3) oxidiert. Diese Reaktion wird als Nitrifikation bezeichnet. Für die Umsetzung wird rund 4 x soviel Sauerstoff benötigt, wie für den Kohlenstoffabbau. Das nitrathaltige Abwasser wird nun über eine Rezirkulation in den anoxischen Bereich geleitet. Dort spalten bestimmte Bakterien unter Zuhilfenahme von leichtabbaubarem Substrat (Kohlenstoffverbindungen) den zum Leben notwendigen Sauerstoff vom Stickstoff ab. Diesen Vorgang nennt man Denitrifikation. Der  Stickstoff entweicht überwiegend elementar. Ein geringerer Anteil entweicht als Lachgas (N2O).

Diese Vorgänge würden aber nicht ablaufen, wenn sich nicht ein bestimmter Anteil an Phosphat im Abwasser befinden würde. Bakterien benötigen zum Aufbau ihrer Zellsubstanz Nährstoffe. Ein gewisser Teil der im Abwasser gelösten Phosphor- und Stickstoffverbindungen wird zu diesem Zweck in Biomasse eingelagert. Bakterien können unter Stressbedingungen, d.h. wenn sie einem ständigen Wechsel von anaeroben und aeroben Bedingungen ausgesetzt werden, wesentlich mehr Phosphat aufnehmen als normal. Das Verhalten wird zur biologischen Phosphat-Entfernung genutzt. Dadurch dass es im anaeroben Bereich zu Rücklösungserscheinungen kommt (das heißt Phosphat wird zur Freisetzung von benötigter Energie an die Umgebung abgegeben weil Sauerstoff fehlt) wird im aeroben Bereich umso mehr Phosphat in Biomasse eingelagert. Diese Biomasse wird nun mit dem Überschussschlamm aus dem Abwasser entfernt. Ist eine biologische Phosphateleminierung nicht ausreichend, so kann auch mit einem geeigneten Fällungsmittel wie z.B. Eisensalz das gelöste Phosphat in eine ungelöste Form überführt (gefällt) werden und ebenfalls mit dem Überschussschlamm aus dem Abwasser entfernt werden.

Es müssen immer genügend Mikroorganismen vorhanden sein, um die ankommenden gelösten Schmutzstoffe abzubauen, aber sie dürfen nicht in einem solchen Überschuss vorhanden sein, dass sie verhungern. Der Überschussschlamm wird schließlich über eine Überschussschlammleitung in den Faulbehälter gepumpt.