2.4 Qualifizierung

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2.1 Lokale Ökonomie

2.2 Existenzgründung

2.3 Ausbildungsförderung

Ausgangslage

Voraussetzung für einen Erfolg in allen beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, die als Einstieg in eine dauerhafte gesellschaftliche Integration wirken können, ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Eine Analyse der derzeit verfügbaren Arbeitsmarktdaten macht allerdings deutlich, dass eine weitere wesentliche Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit unter den Eingewanderten und ihren Nachkommen in vielen Fällen – neben mangelnden Deutschkenntnissen – eine geringe Qualifikation der Betreffenden ist. Rund 75 Prozent der arbeitslosen Ausländer haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, diese Quote ist annähernd doppelt so hoch wie die der deutschen Arbeitslosen.

Allerdings finden Menschen mit Migrationshintergrund auch bei guter Qualifikation häufiger keine adäquaten Arbeitsplätze, was nicht selten auf soziale Vorurteile von Klein- und mittelständischen Unternehmen sowie Personalentscheidern zurückzuführen ist. Bei anderen Eingewanderten liegt die Ursache für geringen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt darin, dass ihre durchaus vorhandenen Bildungsabschlüsse im deutschen System nicht anerkannt werden, da es an zwischenstaatlichen Abkommen mit den Länder fehlt, in denen die entsprechenden Abschlüsse erworben wurden. Zwar kann dieses Problem auf kommunaler Ebene nicht gelöst werden, doch sollte man sich mit dem Missstand nicht abfinden, da gerade die psychischen Folgen dieser erzwungenen Entwertung von individueller Qualifikation unter dem Gesichtspunkt der Integration von Eingewanderten folgenschwer sind. Deshalb muss das Problem der ausländischen Bildungsabschlüsse immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Weiterhin findet eine große Anzahl von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht den direkten Weg zu einem Schulabschluss, der eine Berechtigung auf einen Ausbildungsplatz zur Folge hätte. Die große Mehrheit der Eingewanderten ohne beruflichen Abschluss verfügt allerdings über Arbeitserfahrungen und hat im Herkunftsland berufliche Kompetenzen erworben. Diese können jedoch in der Regel nicht hinreichend in den deutschen Arbeitsmarkt eingebracht werden, da ihnen hier oftmals die Anerkennung versagt bleibt.

Die Volkshochschule der Landeshauptstadt Hannover engagiert sich deshalb in großem Umfang im Bereich des zweiten Bildungswegs gezielt in der Entwicklung einer „Schule der zweiten Chance“. Jährlich werden hier circa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in etwa 20 Kursen und 20.000 Unterrichtsstunden auf den Hauptschul- und Realschulabschluss vorbereitet. Die Schwerpunkte der Arbeit bestehen unter anderem in der Vermittlung von Kulturtechniken und prüfungsrelevantem Wissen sowie darin, durch Verbesserung der vorhandenen Qualifikationen den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen, Voraussetzungen für Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen und im besonderen Maße Hilfestellungen bei der beruflichen und gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu geben.

Die Landeshauptstadt Hannover ist Trägerin des Projekts ALBuM*. Als Entwicklungspartnerschaft aus Migrantenorganisationen, Bildungseinrichtungen und der Landeshauptstadt Hannover wurde hier unter dem Motto „Gemeinsam interkulturelle Stärken leben!“ eine Arbeitsmarktoffensive mit und für Migrantinnen und Migranten im Wirtschaftsraum Hannover gestartet. Adressaten des differenzierten Beratungs- und Qualifizierungsangebotes sind Betriebe, die von Menschen mit Migrationshintergrund geführt werden, beschäftigte und arbeitslose Menschen mit Migrationshintergrund sowie Beschäftigte aus Verwaltung, Unternehmen und Beratungseinrichtungen, die Interkulturalität in ihren beruflichen Alltag integrieren wollen.

Bisher wurden insgesamt 60 Betriebe und circa 1.000 Personen beraten und qualifiziert. Die Spanne reicht von der Beratung für Organisationsentwicklung bis zum berufsbezogenen Deutschunterricht. Die Arbeit der Projekt-Tandems (Bildungsträger/Migrantenorganisation) in ihrer interkulturellen Zusammensetzung hat zu neuen Bildungsangeboten geführt. Die besondere Qualität der Arbeit von ALBuM liegt in der Vielfalt der Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen, Kompetenzen und Kontakten. In der Praxis wird dies umgesetzt über die gleichberechtigten und gleichverantwortlichen Projektteams von Migrantenorganisationen und Bildungsträgern, die interkulturellen Projekt- und Dozenten-Teams, die interkulturelle Zusammensetzung der Lerngruppen in vielen ALBuM-Seminaren sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Angebote und die begleitenden Aktivitäten zur Sensibilisierung für das Thema.

Ziele

  • Aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit jetzt schon absehbaren Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, muss es Ziel der Landeshauptstadt Hannover sein, vorhandene aber nicht ausgeschöpfte Potenziale durch Weiterbildungsangebote in Form einer „Schule der Zweiten Chance“ an die künftigen gesellschaftlichen Anforderungen heranzuführen.
  • Modelle zur Zertifizierung formeller, aber auch informeller Qualifikationen und Kompetenzen unter Berücksichtigung des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens“ nach EU-Richtlinien sollen erprobt werden. Eingewanderte haben gerade durch die Migration im besonderen Maße zusätzliche informelle Qualifikationen erworben, die positiv sichtbar gemacht werden sollten.

Handlungsansätze

Das Projekt ALBuM* als „Labor“ für innovative Maßnahmen im Bereich der beruflichen Qualifizierung und Integration von Migrantinnen und Migranten wurde bis zum 31.12.2007 mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (Gemeinschaftsinitiative EQUAL) gefördert. Die Landeshauptstadt Hannover bemüht sich, mit Hilfe einer kritischen Evaluation positive Strukturen und Handlungsansätze, die gegebenenfalls auch ohne EU-Fördermittel realisierbar sind, in ihrem Handlungsspektrum auch weiterhin zu erhalten bzw. auszubauen.

Die Volkshochschule wird die „Schule der Zweiten Chance“ zukünftig in den Bereichen Ausbildung, Weiterbildung, Arbeitswelt, Arbeitsvermittlung sowie Qualifizierung und Berufsabschlüsse, weitaus stärker als bisher mit Kammern, Gewerkschaften und Berufsschulen vernetzen, um damit den direkten Übergang in Arbeit anzubahnen und zu begleiten.

Die Volkshochschule erprobt zurzeit mit dem ProfilPASS-System ein Verfahren zur Zertifizierung formeller und informeller Qualifikationen und erkundet die Übertragbarkeit in andere europäische Länder im Rahmen des transnationalen Projekts „ASTRA“* als Teilprojekt der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft ALBuM.

Weil die Nicht-Anerkennung von im Ausland erworbenen Zeugnissen vielfach als persönliche Degradierung erlebt wird, werden passgenaue Schulungen entwickelt, die Eingewanderten mit vorhandenen, aber formal nicht anerkannten Qualifikationen dazu verhelfen, in ihrem eigentlichen Fachgebiet auf den Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.

Da viele Migrantinnen und Migranten beispielsweise aus der ehemaligen Sowjetunion nur unqualifizierte Jobs erhalten, obwohl sie Handwerker mit langer Berufserfahrung sind, diese aber nicht nachweisen können, weil es in der Sowjetunion keine Abschlüsse für Handwerksberufe gegeben hat, wird darauf hingearbeitet, z.B. in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer betriebsinterne Weiterqualifikationen anzubieten.

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2.5 Beschäftigungs­förderung

2.6 Internationalisierung