2. Sitzung des WIR2.0-Kuratoriums
Fluid Identity – WIR2.0 fördert transkulturelles Festival
Das WIR2.0-Kuratorium wählt die erste große externe Maßnahme zur Förderung mit 50.000 Euro aus.
In seiner zweiten Sitzung empfing das WIR2.0-Kuratorium Besuch von den Förderantragssteller*innen zu den Maßnahmen „Kulturdialoge einer postmigrantischen Gesellschaft“ und „Städtische Kulturorte der Vielfalt“. Dabei stellten die Antragssteller*innen jeweils fünf Minuten lang ihre Projektideen vor. Für die Maßnahme „Kulturdialoge einer postmigrantischen Gesellschaft“ standen die Ideen der Vereine Faust e.V. und Start2Dance e.V. für eine Förderung in der engeren Auswahl. Nach einer Anhörung der Vertreter*innen der beiden Vereine stimmte das WIR2.0-Kuratorium für die Förderung des Projektes von Start2Dance. Stellvertretend für den Verein hatte Lorenzo Pignataro zuvor das Konzept für das Fluid-Identity 2.0 Festival vorgestellt, gemeinsam mit der Kulturmanagerin und Agentin für Diversität des niedersächsischen Staatstheaters, Leyla Ercan. Pignataro berichtete, dass Start2Dance mit dem Dachverband Generation Postmigration ein Festival realisieren wolle, das diversitätsgerecht und intersektional konzipiert sei. Hierbei solle das Ziel verfolgt werden, einen Raum für fluide Identitäten zu schaffen. Um das Vorhaben nachvollziehbar zu erläutern, erzählte Pignataro von seiner eigenen Lebensrealität, die auf der Suche nach der eigenen Identität auch von Ausgrenzungserfahrungen geprägt sei. Er erhoffe sich, dass durch das Festival weitere Initiativen oder Vereine gegründet würden, die das Thema Fluid-Identity verbreiteten. Im Zuge der kurzen Vorstellung verdeutlichte Kulturmanagerin Ercan, dass es wichtig sei, den Fokus auf egalitäre Teilhabemodelle zu setzen sowie Entscheidungsmacht zu hinterfragen und umzuverteilen. Um eine möglichst große Beteiligung zu fördern, soll das Festival an unterschiedlichen Orten im Raum Hannover ausgetragen werden. Kuratoriumsmitglied Yevgen Bruckmann betonte in einem kurzen Plädoyer für das Projekt von Start2Dance, dass er die Arbeit des Vereins bereits kenne und davon begeistert sei, dass der Verein nicht ausschließlich transkulturell arbeite, sondern auch für einzelne Communities zugänglich sei.
Im weiteren Verlauf der Sitzung stimmte das Kuratorium über die Förderung eines Projektes für die Maßnahme „Städtische Kulturorte der Vielfalt“ ab. Zur Auswahl standen Projekte der Vereine Afropäa und Kargah e.V. sowie der katholischen Familienbildungsstätte Hannover. Keiner der Anträge konnte einzeln das Kuratorium überzeugen. Stattdessen stimmte das Gremium dafür, den beiden Vereinen Kargah e.V. und Afropäa e.V. den Vorschlag zu unterbreiten, einen neuen, gemeinsam erarbeiteten Antrag einzureichen. Falls es dazu kommt, wird das Kuratorium in seiner nächsten Sitzung über eine Förderung dieses neuen, gemeinsamen Projektes abstimmen.
Nachdem über die Förderanträge entschieden war, stimmten die Mitglieder des Kuratoriums über die Priorisierung der nächsten Maßnahmen ab, die in diesem Jahr noch gefördert werden sollen. Die Wahl fiel auf die „Unabhängige Antidiskriminierungsstelle (ADS)“ sowie die Maßnahme „Migrant*innen-Communities unterstützen wohnungslose Menschen“. Kuratoriumsmitglied Ferdos Mirabadi betonte, dass eine unabhängige ADS als Ergänzung ein wichtiger Schritt für die Landeshauptstadt sei und diese bereits seit einigen Jahren gefordert werde. Der Fachbereichsleiter für Gesellschaftliche Teilhabe, Alexander Koop, sprach sich ebenfalls für die Errichtung einer unabhängigen ADS aus. Allerdings ergänzte er, dass es notwendig sei, diese unter einem anderen Namen zur errichten, da fälschlicherweise der Eindruck erweckt werden könne, dass die städtische ADS in einem Abhängigkeitsverhältnis arbeite. Ebenso sprach Koop sich für die Maßnahme „Migrant*innen-Communities unterstützen wohnungslose Menschen“ aus, da es wichtig sei, gerade wohnungslose Menschen mit internationaler Geschichte zu unterstützen.
Im Anschluss stellte die städtische Antidiskriminierungsstelle den Antrag, eine Studie zum Thema Anti-Schwarzer Rassismus gefördert zu bekommen, als Ergänzung zu der bereits bestehenden Meinungsumfrage, die im Rahmen der „Offensive gegen Anti-Schwarzen Rassismus“ entstanden ist. Der Antrag zu dieser internen Maßnahme fand mehrheitlich Zustimmung – jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Studie möglichst intersektionaler gestaltet werden solle, um nicht nur den Anti-Schwarzen Rassismus zu erfassen. Laut der WIR2.0-Teamleiterin Birgit Steckelberg ist eine solche Studie für die Arbeit der ADS relevant, da die Dunkelziffer bei Fällen rassistischer Diskriminierung sehr hoch ist und die ADS belastbare Zahlen für die Argumentation im Rahmen ihrer Arbeit benötigt. Gabriele Schuppe aus dem Kuratorium merkte an, dass nicht der Eindruck erweckt werden solle, dass eine bestimmte Gruppe stärker diskriminiert werde als eine andere marginalisierte Gruppe. „Die Maßnahme muss nachhaltig sein“, forderte Dr. Tom Becker, Leiter des Fachbereiches Stadtbibliothek, und erhoffte sich, dass eine wissenschaftliche Expertise miteinbezogen würde.
Ein weiterer Tagesordnungspunkt war der Bericht zum Stand der Umsetzung der WIR2.0-Maßnahmen. Birgit Steckelberg berichtete von einer Kommunikationskampagne, die bereits seit dem 2. Juni in Form von Plakaten im Raum Hannover sichtbar ist. Darüber hinaus präsentierte Bernd Wintzer, Kuratoriumsmitglied aus dem Fachbereich Schule, die Maßnahme „Interkulturelle Bildungsarbeit/Schulassistenz“ (IKB) sowie die Maßnahme „Brücken zur Bildung“. Ziel der IKB ist es, die Bildungssituation von Schüler*innen nichtdeutscher Herkunftssprache zu verbessern, in dem Schulen durch herkunftssprachliche Kräfte unterstützt werden. Des Weiteren soll insbesondere auch die Interaktion zwischen der Schule und den Eltern gestärkt werden. Neben fünf Maßnahmen, die seit 2019 durch den FB Schule gefördert werden, wurde das Programm durch ein Sonderprogramm und den Nachtragshaushalt Ukraine temporär deutlich ausgeweitet.
Die Maßnahme „Brücken zur Bildung“ unterstützt Rom*nja-Familien in Obdachlosenunterkünften durch den Einsatz von herkunftsprachlichem und pädagogisch geschultem Personal in Obdachlosenunterkünften. Im Rahmen dieser Maßnahme werden auch Fortbildungen für alle an der Betreuung und Bildung der Familien beteiligten Personen organisiert, unter anderem zum Thema Antiziganismus.
Beide Programme sind bislang nur temporär gesichert, es bestehe aber Bedarf nach einer nachhaltigen kommunalen Verankerung, insbesondere da das Land sich für solche, die Schulen unterstützenden Maßnahmen, nicht in der Verantwortung sehe.
Eine weitere Maßnahme, die bereits läuft, stellte Dr. Tom Becker im Rahmen des Berichtes zur Umsetzung der WIR2.0-Maßnahmen vor: Das OPEN HAUS im Foyer des Schauspielhauses. Das Schauspielhaus Hannover öffnet immer mittwochs bis freitags von 14:00 – 18:00 Uhr seine Türen. Das OPEN HOUSE heißt unter anderem mit einer Bücher-Etage alle Menschen willkommen, die das Foyer des Schauspielhauses als Begegnungsort inmitten der Innenstadt von Hannover nutzen möchten. In Zukunft sollen hier auch Schauspieler*innen den Buchbestand mit ihren Themen und Literaturtipps erweitern. Die Maßnahme wird durch den WIR2.0 gefördert. „Der Platz sollte letztendlich von der Zivilgesellschaft genutzt werden. Die Türen des Schauspielhauses stehen für alle offen“, so Becker.
Gegen Ende der Sitzung stimmten die externen Mitglieder des Kuratoriums über die Besetzung des freien Sitzes im WIR2.0-Arbeitsausschuss ab. Innawa Bouba von der „Generation Postmigration“ überzeugte mit einem kurzen Vorstellungsvideo und gewann die Wahl knapp gegen Reza Deilami, den Leiter der Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe bei der Region Hannover. Zuvor wurde der Sitz durch Lina Tran von Generation Postmigration besetzt.
Die nächste Sitzung des WIR2.0-Kuratoriums ist für den 06. Oktober angesetzt.