Gerichtsentscheid

Marktkirche darf Reformationsfenster einbauen

Nach jahrelangen Verhandlungen: Die Marktkirche Hannover kann das umstrittene Reformationsfenster einbauen. Das Oberlandesgericht Celle hatte über die Berufung im Streit um das Reformationsfenster in der Marktkirche Hannover verhandelt und beschlossen, dass es der Argumentation der Marktkirchengemeinde folgen würde sowie einen Vergleich vorgeschlagen, den beide Parteien angenommen haben.

Das Reformationsfenster aus der Glaswerkstatt Derix wird in die Südwand der Marktkirche eingebaut.

Der Stiefsohn und Erbe Dieter Oesterlens, Georg Bissen, hatte 2019 gegen den Einbau des Fensters geklagt. Er sah den Eindruck des schlicht gehaltenen Innenraums der Kirche durch das modern gestaltete Glaskunstwerk zerstört. Mit dem Urteil ist eine mehrjährige Auseinandersetzung um das Buntglasfenster des Künstlers Markus Lüpertz vorerst beendet. Das Reformationsfenster ist ein Geschenk des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder an die Marktkirche. Der Anlass der Schenkung war das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. 

Gedenken an Architekt des Wiederaufbaus

Nun kann die Marktkirchengemeinde das Fenster endlich einbauen. Sie verpflichtet sich allerdings, mit einem Schild auf die ursprüngliche Konzeption des Architekten Oesterlen hinzuweisen. Er wollte durch eine bewusste Gestaltung des Kirchenraumes "die großartige Einfachheit" der spätgotischen Hallenkirche betonen, heißt es darauf. Weiter wird dort stehen, dass das Reformationsfenster nachträglich eingebaut wurde und in Kontrast zu der schlichten Architektur Oesterlens steht. Diese Vereinbarung ist Teil des Gesamtvergleichs, durch den der Rechtstreit jetzt beendet wurde. In der Erörterung wog das Gericht erneut das kirchliche Selbstbestimmungsrecht sowie das Grundrecht auf Religionsfreiheit der Evangelisch-lutherischen Kirche gegen das Urheberrecht des Klägers Georg Bissen ab. Bissen hatte gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 14. Dezember 2020 Berufung eingelegt. Das Urteil hatte der Gemeinde den Einbau des umstrittenen Fensters in die Marktkirche erlaubt. 

"Salomonisches, weises Urteil" 

"Ich begrüße das Ergebnis der Verhandlung und bin erleichtert", sagt Martin Germeroth, Vorsitzender des Kirchenvorstandes der Marktkirchengemeinde. Der Pastor der Marktkirche, Marc Blessing, würdigt das Ergebnis als ein "salomonisches, weises Urteil". "Es ist gut, dass wir in der zentralen Kirche unserer Stadt ein Reformationsfenster bekommen", ergänzt Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes und weiter: "Das ist für uns eine große Chance, die jahrhundertealte Botschaft neu weiterzusagen". 

Über das Reformationsfenster

Das rund 150 000 Euro teure und 13 Meter hohe Reformationsfenster soll in die Fensterreihe an der Südwand der Kirche eingebaut werden. Es zeigt eine große weiße Figur, die auf Martin Luther verweisen soll. Neben Motiven mit Bezug zur Reformation sind noch fünf große schwarze Fliegen als Symbole des Bösen und der Vergänglichkeit dargestellt. Ihre Abbildung führte zu heftigen Kontroversen, anfänglich auch in der Kirchengemeinde. Der in Tokio lebende Rechtsanwalt Bissen hatte argumentiert, das moderne Fenster passe nicht in die gotisch geprägte Kirche. Sein Stiefvater, der Architekt Dieter Oesterlen, hatte zwischen 1946 und 1952 den Wiederaufbau der Marktkirche geleitet. Der aus dem 14. Jahrhundert stammende Bau gilt als ein Wahrzeichen Hannovers und war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden. 

(Veröffentlicht am 30. November 2021)