Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule zeigen auf der Labvolution mit Biotechnica, wie Zucker Immunantworten verändern können.
Zucker sind nicht nur ein wichtiger Nahrungsbestandteil, sie können auch die Immunantwort beeinflussen. Allerdings handelt es sich bei diesen immunstimulierenden Zuckern nicht um normalen Haushaltszucker, sondern um komplexe Zuckerstrukturen, die zum Beispiel auf der Oberfläche von Krankheitserregern vorkommen. Dass sich solche komplexen Zucker auch als Impfstoffverstärker eignen, stellt das Team von Professor Dr. Bernd Lepenies der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover während der Fachmesse "Labvolution mit Biotechnica" auf dem Niedersächsischen Gemeinschaftsstand vor.
EU-Netzwerk
Das Projekt, das das Team dort präsentiert, ist Bestandteil des EU-Netzwerkes "Immunoshape", das sich mit der Entwicklung von zuckerbasierten Immunmodulatoren beschäftigt. Diese neu entwickelten Zucker wirken, indem sie an Rezeptoren binden, die sich auf Immunzellen befinden. Diese Rezeptoren heißen C-Typ-Lektine. Die Hauptaufgabe der C-Typ-Lektine besteht darin, auf Krankheitserregern fremde Zuckerstrukturen zu erkennen, die sich, ähnlich einem Fingerabdruck, von den Zuckern auf körpereigenen Zellen unterscheiden. Binden C-Typ-Lektine an einen körperfremden Zucker, lösen sie eine Immunantwort aus. Gleichzeitig eignen sich C-Typ-Lektine, um Pharmaka oder Impfstoffe in die Immunzellen einzubringen.
Geeignete Zuckerstrukturen finden
Im Rahmen des Immunoshape-Netzwerks wurde mit Partnern aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und Großbritannien ein System entwickelt, mit deren Hilfe Zuckerstrukturen gefunden werden können, die an C-Typ-Lektine binden. Joao Monteiro, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Lepenies, erläutert: „Das System ermöglicht eine effektive Vorauswahl geeigneter Zucker, die als Impfstoffverstärker-Kandidaten dann in der Zellkultur auf ihre immunstimulierenden Eigenschaften getestet werden können. So lässt sich letztlich auch die Zahl der Versuchstiere für Impfstudien reduzieren.“
Vielversprechende Ergebnisse
In einer gemeinsamen Publikation mit spanischen Wissenschaftlern konnte die Gruppe kürzlich zeigen, dass bereits geringfügige strukturelle Unterschiede große Auswirkungen auf die immunstimulierenden Eigenschaften von Zuckern haben. In der Studie, die sie im Fachjournal ACS Chemical Biology veröffentlichten, verknüpften die Forscher Zucker mit Modellproteinen und analysierten die Bindung an verschiedene C-Typ-Lektine. Zudem untersuchten sie ihre Aufnahme in Immunzellen und die nachfolgende Immunantwort. Tatsächlich unterschied sich die Bindung der mit den Modellproteinen verknüpften Zucker an die jeweiligen C-Typ-Lektine. Außerdem zeigten sie in der Zellkultur veränderte immunstimulierende Eigenschaften. "Diese Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz immunstimulierender Zucker vielversprechend ist", erläutert Lepenies. "Wichtig ist aber, detaillierte Untersuchungen zu Struktur-Aktivitätsbeziehungen der Zucker anzustellen, da bereits geringe strukturelle Unterschiede großen Einfluss auf die Zuckererkennung durch C-Typ-Lektine haben können."
Untersuchungen im Verlauf von Infektionserkrankungen und Entzündungen
In weiteren Arbeiten untersucht das Team von Professor Lepenies die Funktion von C-Typ-Lektinen im Verlauf von Infektionserkrankungen und Entzündungen. So konnte im Rahmen internationaler Kooperationen die Rolle einzelner C-Typ-Lektine in der Tuberkulose- bzw. Allergieentstehung aufgeklärt werden. Das Targeting von C-Typ-Lektinen könnte also eine vielversprechende Therapiestrategie sein, um Immunantworten auf Infektionen oder Autoimmunerkrankungen gezielt zu modulieren.