Ein internationales Kooperationsprojekt unter Beteiligung der Leibniz Universität hat den Sandabbau im Mekong-Delta und seine Folgen erforscht.
Sand ist ein wertvoller Rohstoff, der weltweit zunehmend knapp wird: Er ist der Hauptbestandteil von Beton, Glas wird aus Sand hergestellt, er ist im Straßenbau und in der Industrie stark nachgefragt. Das Umweltprogramm der UN beschreibt in seinem jüngsten Bericht aus dem Mai 2019, dass der Rohstoff Sand als wertvolle Ressource der Bauindustrie und Landgewinnung mittlerweile der zweithäufigst gehandelte Rohstoff nach Wasser ist . Vor diesem Hintergrund hat sich ein hart umkämpfter Markt um den Rohstoff Sand entwickelt, der zunehmend auch die informelle Entnahme von Sand aus der Gewässersohle von Flüssen bedingt. Infolge von nicht nachhaltigem Sandabbau ergeben sich teils verheerende Folgen für die Umwelt und den Menschen, unter anderem durch Uferabbrüche und Küstenerosionen.
Forschungsprojekt zum Sandabbau im Mekong-Delta
Ein Forschungsprojekt des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen (LuFI) der Leibniz Universität hat in den vergangenen Jahren im Mekong-Delta in Vietnam eine Bestandsaufnahme der Sandvorkommen und Transportkapazitäten des Flusses gemacht. Die Wissenschaftler konnten anhand von umfangreichen Messungen unter anderem detaillierte Rückschlüsse auf lokale, informelle Sandentnahmen und die nicht nachhaltigen Entwicklungen des Sandbudgets ziehen. Die Ergebnisse des Teilvorhabens mit dem Helmholtz Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) sowie der Vietnam National University (VNU) sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen. Scientific Reports ist eine wissenschaftliche Fachzeitschrift, die online von der Nature Publishing Group herausgegeben wird.
Zwei Messkampagnien durchgeführt
In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Catch-Mekong wurden hochaufgelöste hydrologische, morphologische und sedimentologische Kennwerte im Mekong-Delta erfasst. So sind im Zuge zweier aufwendig durchgeführter Messkampagnen in der Hoch- und Niedrigwassersaison 2018 unter anderem Tiefendaten mittels Fächerecholot, Strömungsgeschwindigkeiten und Geschiebetransport gemessen worden. "Da das Mekong-Delta bereits heute von fortschreitender Ufererosion in urbanen Räumen geprägt ist, standen die Feststellung des Inventars sowie die saisonale Budgetierung des Sandvorkommens und –transportvermögens im Fokus unserer wissenschaftlichen Untersuchungen", berichtet Prof. Dr.-Ing. Torsten Schlurmann, Leiter des Teilprojekts am LuFI.
Hohe Sandentnahme festgestellt
"Im Rahmen unserer Studie konnten jetzt erstmals detaillierte Rückschlüsse auf lokale Sandentnahmen gezogen werden, die in der Menge weit über den erteilten Lizenzen zur Entnahme von Sand lagen", stellt Christian Jordan, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am LuFI, fest und fügt hinzu: "Die prozessierten Daten weisen darauf hin, dass die lokalen Baggeraktivitäten im Allgemeinen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben."
Umweltprobleme als Folge
Laut internationalem Forscherteam belegt die Studie, dass der Nachschub von Sedimenten aus dem Mittel- und Oberlauf bereits heute zu gering ist, um die Sandentnahmen im Delta auszugleichen. Durch das Sanddefizit entstehen Folgewirkungen wie fortschreitende Ufer- und Küstenerosion mit der Gefahr von Erdrutschen sowie Salzwassereintrag und Bodenversalzung – mit erheblichen Auswirkungen auf das Leben und die Lebensgrundlage der etwa 18 Millionen Bewohner des Deltas. "Vor dem Hintergrund der Intensivierung der Nutzung der Wasserkraft am Mekong und mit dem Bau von mehr als einem Dutzend neuer Stauanlagen verschärft sich die Problematik der Stabilität des Mekong im Unterlauf und im Delta infolge eines zusätzlichen Rückhalts von Sedimenten im Mittel- und Oberlauf", sagt Dr.-Ing. Jan Visscher, Oberingenieur und Messfahrtleiter des Vorhabens im Mekong-Delta.
Gefährdung der "Reisschüssel Vietnams"
Das Mekong-Delta – auch die "Reisschüssel Vietnams" genannt – liefert etwa 50 Prozent der Nahrungsproduktion des Landes. Das feuchte, flache Land bietet ideale Bedingungen für den Reisanbau. Dieser Lebensraum ist durch die informelle und vor allem nicht nachhaltige Sandentnahme und der daraus resultierenden Destabilisierung des Flusses in höchstem Maße gefährdet, wie die Ergebnisse des Forschungsprojekts jetzt erstmals eindeutig belegen.