Armutsmonitoring 2024

Moderater Rückgang der Armutsquote 2023

Die Armutsquote in Hannover ist 2023 leicht gesunken. Die Altersarmut stieg weiter an. Das geht aus dem Armutsmonitoring 2024 der Landeshauptstadt hervor.

Blick auf Hannover

Die Armutsquote in Hannover, insbesondere unter Kinder und Jugendlichen sowie Familien, ist im Jahr 2023 leicht gesunken. Die Altersarmut hingegen stieg erneut an. Das geht aus dem aktuellen Armutsmonitoring hervor, das die Landeshauptstadt Hannover am 13. November 2024 vorgestellt hat.

Die hannoversche Armutsquote lag Ende 2023 bei 14,9 Prozent. 83.109 Menschen bezogen Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 852 weniger als ein Jahr zuvor. Ende 2022 lag die Armutsquote bei 15,2 Prozent.

Gegen den Bundestrend: Rückgang bei Bürgergeld und Asylbewerberleistungen

Hannover verzeichnet im Jahr 2023 sowohl bei der Anzahl Bürgergeldbeziehender (minus 508) als auch bei der Anzahl von Asylbewerberleistungsbeziehenden (minus 711) einen Rückgang, beides entgegen der bundesweiten Entwicklung:

Der Rückgang bei den Asylbewerberleistungen betrug über 19 Prozent, bundesweit gab es im gleichen Zeitraum einen Anstieg von rund 8 Prozent. „Dies ist das Resultat der im Jahr 2022 erfolgten Übererfüllung der Zuweisungsquote. Dies wurde und wird der Stadt Hannover bis heute auf die aktuelle Zuweisungsquote angerechnet“, erklärt Sozialdezernentin Sylvia Bruns.

Im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes am 1. Januar 2023 sank die Anzahl Regelleistungsbeziehender in Hannover um 0,4 Prozent, während sie deutschlandweit um 1,1 Prozent stieg. Die hannoversche Entwicklung basiert auf einem stärkeren Rückgang Nichterwerbsfähiger im Bürgergeld, oft Kinder (minus 4,0 Prozent; bundesweit minus 2,1 Prozent). „Der Rückgang ist aber nicht auf die Einführung des Bürgergelds zurückzuführen, sondern auf die zeitgleichen Reformen beim Wohngeld und beim Kinderzuschlag“, so die Koordinationsstelle Sozialplanung. Diese hätten auch maßgeblich zur leicht sinkenden Anzahl von Kindern im Transferleistungsbezug beigetragen.

Kinderarmutsquote sinkt, dafür häufiger Wohngeldbezug und Kinderzuschlag

Die Transferleistungsquote bei den Minderjährigen lag Ende 2023 bei 25,5 Prozent. Dies entspricht einem Rückgang von minus 1.036 Kindern und Jugendlichen (minus 4,5 Prozent zum Vorjahr). Der Rückgang korrespondiert mit der ebenfalls rückläufigen Familienarmut (minus 3,7 Prozent).

Im Vergleich zum Vorjahr profitierten Paare mit Kindern (minus 303 bzw. minus 5,2 Prozent) etwas stärker als Allein- und Getrennterziehende (minus 127 bzw. minus 2,1 Prozent) vom Rückgang. In beiden Fällen ist dies primär ausgelöst durch einen Wechsel einkommensarmer Familien vom Bürgergeld in den Wohngeldbezug - in Kombination mit Kinderzuschlag. Denn zeitgleich stieg sehr deutlich sowohl die Anzahl der Kinderzuschlagsberechtigten (regionsweit plus 38 Prozent) als auch der Wohngeldhaushalte (stadtweit plus 75 Prozent), infolge des am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Gesetzes zur Erhöhung des Wohngeldes (Wohngeld-Plus-Gesetz).

Ein Wechsel ins Wohngeld ist nicht frei wählbar, sondern ist immer dann der Regelfall, wenn sich dadurch – gegebenenfalls in Kombination mit dem Kinderzuschlag - eine finanzielle Verbesserung für den Haushalt ergibt. Über ein Drittel aller Wohngeldhaushalte in Hannover sind Familien.

Bürgergeldbeziehende in Hannover: Maximal ein Drittel sind arbeitslos

„Im Zuge der Einführung des Bürgergelds war die öffentliche Diskussion vielfach geprägt von „fehlenden Arbeitsanreizen“ für Bürgergeldbeziehende“, so Sylvia Bruns. „Der Blick in die Daten macht jedoch deutlich, dass ein großer Teil der Menschen, der Bürgergeld bezieht,  weder erwerbsfähig, noch arbeitslos ist.“

Ende 2023 lebten in Hannover 64.163 Regelleistungsberechtigte, darunter waren 17.085 (27 Prozent) nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, oft unter 15-Jährige.

Unter den Erwerbsfähigen wiederum war mehr als die Hälfte der Personen nicht arbeitslos, sondern es handelt sich zum Beispiel um Menschen, die

  • einer nicht existenzsichernden Erwerbstätigkeit nachgehen,
  • unbezahlte Arbeit leisten infolge von Familientätigkeit oder die Pflege von Angehörigen unbezahlte, aber zeitintensive Arbeit leisten,
  • sich in Aus- oder Weiterbildung befinden
  • oder vorübergehend erkrankt sind.

In Summe sind demnach maximal ein Drittel der Bürgergeldbeziehenden arbeitslos. „Dieser Gruppe und damit der Mehrheit der Bürgergeldbeziehenden fehlt es nicht primär an Anreizen, die Arbeitslosigkeit zu überwinden“, so Sylvia Bruns. Hilfreich seien in vielen Fällen vielmehr die Wiederherstellung der Gesundheit, die Chance auf ein bedarfsdeckendes Erwerbseinkommen oder - im Falle von Kinder- und Jugendarmut - die Chance auf gesundheitliche Teilhabe oder Bildungsteilhabe.

Altersarmut steigt kontinuierlich an

Ende 2023 lebten in der Stadt Hannover insgesamt 140.273 Menschen im Alter von 60 Jahren und älter. Das ist ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Mehr als 15.700 Senior*innen bezogen Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Altersarmutsquote stieg von 11,0 Prozent Ende 2022 auf 11,2 Prozent Ende 2023 und damit innerhalb eines Jahres um 530 Personen (plus 3,5 Prozent). 79 Prozent des Jahresanstiegs 2023 entfiel auf die steigende Empfänger*innenzahl bei der Grundsicherung im Alter, 17 Prozent entfiel auf Anstiege im Bürgergeld. Innerhalb von zehn Jahren - im Zeitraum 2013 bis 2023 - ist die Anzahl der Armutsbetroffenen im Alter im Stadtgebiet Hannover um fast 4.400 Personen (plus 39 Prozent) gestiegen.

Stadträtin Sylvia Bruns betont, dass – neben den strukturellen Rahmenbedingungen der Renten-, Arbeitsmarkt-, Familien- und Migrationspolitik – primär die in der Erwerbsphase errungenen „Entgeltpunkte“ im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung ausschlaggebend für steigende Altersarmut sei. Altersarmut beträfe Frauen häufiger als Männer: Frauen erhielten im Bundesdurchschnitt eine um 28 Prozent geringere Rente als Männer. Zudem wirken sich der Gender Pay Gap, also der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen in vergleichbaren Arbeitsverhältnissen, die höhere Teilzeitquote von Frauen sowie der Gender Care Gap, also der unterschiedliche Zeitaufwand, den Frauen und Männer für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen, unmittelbar auch auf den Rentenanspruch aus. Hinzu kommt, dass mit Sorgearbeit noch immer keine Rentenpunkte erworben werden. Auch müsse von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden, weil die ältere Generation eher den Gang zum Sozialamt scheue.

„Grundsicherung im Alter ist ein Rechtsanspruch“, stellt Sylvia Bruns klar. Sie appelliert an Betroffene, nicht zu zögern, sich Hilfe und Beratung zu holen, wenn die Rente nicht auskömmlich sei oder Energiekosten nicht mehr getragen werden können.

Information zum Armutsmonitoring

Das Armutsmonitoring der Landeshauptstadt Hannover informiert seit 2019 einmal jährlich über die Anzahl und Struktur der Transferleistungsbeziehenden im Stadtgebiet. Es beleuchtet die Armutsentwicklung in den Stadtteilen der Landeshauptstadt Hannover im Zeitraum 31. Dezember 2019 bis 31. Dezember 2023.

Der zugrunde gelegte Armutsbegriff basiert auf der Anzahl der Menschen, die Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen. Diese umfassen Leistungen nach dem SGB II (seit 2023 Bürgergeld), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.