Gleich vier Kliniken der Medizinischen Hochschule setzen das 3,1 Millionen Euro teure System da Vinci Xi ein.
Die roboter-assistierte Chirurgie hält in der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) im großen Stil Einzug: Unter Federführung der Bauchchirurgen nutzen mit den Urologen, der Frauenheilkunde und der Herz- und Thoraxchirurgie gleich vier Kliniken das robotergestützte OP-System der neuesten Generation - den OP-Roboter da Vinci Xi. Erst die technische Weiterentwicklung des Systems bietet nun die Voraussetzung für einen multidisziplinären Einsatz. "Dieses Assistenzsystem unterstützt die Chirurgen der MHH bei vielen Eingriffen, damit die Patienten noch schonender und sicherer operiert werden können", sagt MHH-Vizepräsident Dr. Andreas Tecklenburg, zuständig für das Ressort Krankenversorgung, "darüber hinaus ist diese Technologie ein wichtiger Baustein in der Weiterbildung der nächsten Generation von Chirurgen."
Perfekter Helfer für Operateure
Als Investition in die Zukunft wurde das 3,1 Millionen Euro teure robotergestützte OP-System über die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert. Die MHH ist die erste Klinik in der Region, die das System der neuesten Generation in mehreren chirurgischen Kliniken einsetzt. Ende November 2017 wurde es in einen OP-Saal der Viszeralchirurgie installiert, anschließend wurden ausgewählte Ärzte nach einem strikten Curriculum geschult. "Da Vinci ist ein perfekter Helfer für uns Operateure", betont Professor Dr. Jürgen Klempnauer, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, "denn er verbindet die Vorteile der minimalinvasiven Schlüssellochchirurgie - also kleinste äußerliche Schnittwunden, geringerer Blutverlust, schnellere Wundheilung und kürzerer Krankenhausaufenthalt - mit denen der konventionellen Chirurgie begleitet von einer besseren Darstellung in Form eines vergrößerten, dreidimensionalen Bildes des Operationsfeldes und eines verwacklungsfreien Arbeitens unter mikrochirurgischen Bedingungen."
Detailgetreue Darstellung winziger Strukturen
Dr. Markus Winny, Oberarzt und Bereichsleiter bei Professor Klempnauer, leitet das Projekt und koordiniert das interdisziplinäre da Vinci-Zentrum. "Das System besteht aus einer Steuerkonsole, an der der Chirurg fernab des OP-Tisches sitzt", erklärt er, "und einer Robotikeinheit, dem OP-Roboter, mit vier Armen über dem OP-Tisch. Hinzu kommt ein Videoturm, der als Plattform für die Kameratechnik und Elektrochirurgie dient." Der Operateur sieht auf dem Konsolenmonitor ein vergrößertes 3D-Bild des Operationsfeldes. Er kann von der Konsole aus die Arme des Roboters mit den mikrochirurgischen Instrumenten steuern. "Dabei lenkt der Operateur mit seinen Handbewegungen in Echtzeit die Arme und die daran befestigten Instrumente millimetergenau sehr viel exakter, da jede Bewegung mehrfach übersetzt ist. Unwillkürliche Bewegungen wie etwa ein Händezittern werden ausgeglichen." Dank der bis zu mikroskopischen Vergrößerung werden selbst winzige Strukturen wie etwa Gefäße oder Nerven detailgetreu dargestellt.
Roboter für Tumoroperationen in der Bauchchirurgie im Einsatz
Bei aller Technik bleibt der Chirurg autark: "Der Operationsroboter kann nicht programmiert werden und auch keine eigenständigen Bewegungen ausführen", betont Professor Klempnauer. In seiner Klinik wird der da Vinci-Roboter zunächst für die Tumorchirurgie im Bereich des Darms, des Magens, der Speiseröhre, der Leber und der Bauchspeicheldrüse eingesetzt. Zukünftig ist auch die Anwendung der innovativen Technik in der Transplantationschirurgie geplant.
Gynäkologische Roboterchirurgie zum Wohle der Patientinnen
"Die Frauenklinik nutzt seit Anfang 2018 das modernste da Vinci-Robotersystem in der Region Hannover und darüber hinaus", erläutert Professor Dr. Peter Hillemanns, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. "Es wurde ein Zwei-Personen-Robotersystem installiert, so dass zwei erfahrene Chirurgen zusammenarbeiten können, um die Versorgung unserer Patientinnen weiter zu maximieren. In der Abteilung für Gynäkologie gibt es vier zertifizierte Gynäkologen mit fortgeschrittenem Know-how in der robotergynäkologischen Chirurgie." Gynäkologische Verfahren, die zunehmend mit Roboterunterstützung im Rahmen des zertifizierten Gynäkologischen Krebs- und des zertifizierten Endometriose-Zentrums Level III durchgeführt werden, sind radikale Hysterektomie bei Gebärmutterhalskrebs, Lymphknotenentfernung bei Patienten mit gynäkologischen Krebserkrankungen und die radikale Sanierung der tief infiltrierenden Endometriose.
Nervensparende Operationsverfahren.
Einen besonderen Stellenwert besitzen nervensparende Operationsverfahren. "Weiterhin steht sowohl die ICG/Fluoreszenzgesteuerte Wächterlymphknoten/Sentineldiagnostik, als auch die Tumorkompartmentresektion maliger Erkrankungen in unserem Fokus. Mit der neuen Technik wird unsere langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet enorm beschleunigt", sagt Professor Hillemanns. Operationen bei Borderlinemalignität und Hysterektomien adipöser Patientinnen mit Endometriumkarziom runden das Angebot ab.
Vorteile der robotergestützten gynäkologischen Chirurgie
"Die endgültige Entscheidung über den Weg und die Methode der Operation hängt davon ab, welche der sicherste Eingriff für die zugrunde liegende gynäkologische Erkrankung ist", sagt Professor Hillemanns Studien über benigne gynäkologische und gynäkologische Krebschirurgie legen nahe, dass roboterassistierte Operationen mit weniger Komplikationen, Blutungen und Thrombosen im Vergleich zum offenen abdominalen Zugang (Laparotomie) verbunden sind. Weitere Vorteile der robotergestützten gynäkologischen Chirurgie sind schnelle Rekonvaleszenz, kurze Krankenhausaufenthaltsdauer, geringer Blutverlust, geringe postoperative Schmerzen, wenig Wundkomplikationen und Infektionen. Herausragend ist die exzellente 3D-Visualisierung mit hoher Auflösung: "Sie verbessert die Fähigkeit des Chirurgen, Gewebeebenen, Blutgefäße, Nerven und andere kritische Strukturen zu identifizieren", sagt der Klinikdirektor.
Urologen operieren Prostata und Nieren mit da Vinci
Auch die Klinik für Urologie und Urologische Onkologie nutzt den OP-Roboter da Vinci Xi. Klinikdirektor Professor Dr. Markus A. Kuczyk betreut zusammen mit PD Dr. Florian Imkamp das Roboterprogramm der Urologie. "Die Ausrichtung der Klinik auf künftige Herausforderungen steht im Fokus des Einsatzes. Bereits seit Januar führen wir Prostataentfernungen bei Prostatakrebs und organerhaltende Niereneingriffe bei Nierentumoren erfolgreich durch", erläutert Professor Kuczyk. "Diese wegweisende Technik ermöglicht selbst unter engsten anatomischen Bedingungen, wie beispielsweise im Becken, eine exzellente Visualisierung und Präparation feinster anatomischer Strukturen und erlaubt Nähte, wie sie etwa nach Entfernung der Prostata zur Wiederherstellung der Verbindung zwischen Blase und Harnröhre erforderlich sind, in höchster Präzision." Der Urologe sieht einen weiteren Vorteil: "Gleichzeitig verbessert die Fluoreszenzbildgebung die Darstellung der Tumorgrenzen, so dass wir bessere onkologische und funktionelle Ergebnisse nach urologischen Eingriffen erwarten."
Behandlung von Raumforderungen im Brustkorb
Die Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie von Klinikdirektor Professor Dr. Axel Haverich bietet seit Anfang März roboter-assistierte Operationen für gut- und bösartige Raumforderungen im Bereich des Brustkorbs an. "Neben Eingriffen bei Lungentumoren, wo die Hilus- und Lymphknotenentfernung mit dem da Vinci-System vereinfacht werden, eignen sich gerade Tumoren des Mittelfellraumes besonders für diese Technik", sagt Dr. Patrick Zardo, Bereichsleiter für Thoraxchirurgie in Professor Haverichs Klinik. "Zudem hat sich die roboterassistierte Thymusentfernung bei Thymustumoren und Myasthenie auf internationaler Ebene zunehmend als Verfahren der ersten Wahl etabliert."