Kulturelle Vielfalt ist Kennzeichen städtischen Lebens, dabei zugleich Herausforderung und Chance. In Hannover leben Menschen aus mehr als 160 Staaten. Viele engagieren sich in verschiedenen kulturellen, ethnischen und interkulturellen Vereinen oder Initiativen. Neben einer in einigen Stadtteilen (Linden, Nordstadt, Mitte) sehr ausgeprägten Vereins- und Initiativentätigkeit von und mit Migrantinnen und Migranten, verfügt Hannover über eine öffentliche, dezentrale Infrastruktur im Bereich Stadtteilkulturarbeit. Einrichtungen der Stadteilkulturarbeit (kommunal und in freier Trägerschaft) wie Freizeitheime, Kulturtreffs, Kulturbüros, Kulturvereine, Stadtteilzentren sowie die Stadtteilbibliotheken bieten in 25 von insgesamt 52 Stadtteilen Hannovers ein vielfältiges Programm und Räume für unterschiedliche Aktivitäten.
Sie verstehen sich in ihrer Zielsetzung als Orte der Begegnung, des kulturellen Stadtteillebens, des bürgerschaftlichen Engagements und der wohnortnahen Bildung. Neben diesen stadtteilorientierten Kultureinrichtungen sind die zentralen Kulturinstitutionen wie Oper, Theater und Museen Anziehungspunkte für Menschen aus Hannover und dem Umland. Während die Ensembles und die Künstler der verschiedenen Kulturinstitutionen meist international sind, besteht das Publikum jedoch überwiegend aus der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Hier geht es darum, mehr Menschen Teilhabemöglichkeiten zu bieten und den Zugang in die Kulturinstitutionen weiter zu erleichtern.
In diesem Zusammenhang ist von verschiedenen Seiten vorgeschlagen worden, ein „Haus der Kulturen“ einzurichten. Es existieren allerdings sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine solches „Haus der Kulturen“ inhaltlich ausgestaltet werden sollte. Die Spannweite reicht von einem interkulturellen Kulturzentrum bis zu einem Gebäude, das unterschiedlichen Migrantenorganisationen Räume für ihre Aktivitäten bieten sollte.
Um hier eine Entscheidung über eine städtische Unterstützung zu treffen, gilt es eine konzeptionelle Klärung herbeizuführen. In diesem Klärungsprozess wäre zu berücksichtigen, dass in Hannover bereits eine Anzahl von Einrichtungen existiert, die interkulturelle Kulturarbeit leisten. Zu diesen Einrichtungen zählt das Kulturzentrum Pavillon mit seinen Veranstaltungsreihen Masala, Babylon oder Samowar.
Kulturelle Kompetenz ist eine „Schlüsselkompetenz für die Kunst des Lebens“ und fördert die individuelle sowie auch die gesellschaftliche Entwicklung. Kulturelle Praxis und ästhetische Erfahrung fördern Persönlichkeit und individuelle Begabungen und stärken die Wahrnehmungs- und Kritikfähigkeit des Einzelnen im Zusammenhang mit einer immer komplizierter scheinenden Welt. Ästhetisches Erleben und Erfahren fördern zudem die ebenso spielerische wie kritische Auseinandersetzung mit dem Fremd- und Selbstbild. Kulturelle Praxis kann daher Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten gerade auch im interkulturellen Kontext erfahrbar und verarbeitbar machen. In diesem Feld initiiert und fördert die Stadt Hannover regelmäßig Projekte insbesondere für Kinder und Jugendliche.
Wenn kulturelle Vielfalt in der Stadt sowohl Herausforderung als auch Chance ist, muss beides von den Menschen erlebt werden können, ohne Angst zu erzeugen. Für einen solchen Prozess ist die interkulturelle Öffnung der Einrichtungen im Stadtteil, aber auch die Öffnung von Migrantenselbstorganisationen und -initiativen hin zum Stadtteil notwendig.
Eine Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Initiativen von Migrantinnen und Migranten sowie den Einrichtungen und Institutionen auf der Stadtteilebene findet z.B. bei Stadtteilfesten sowie bei einzelnen Projekten und Veranstaltungen statt. Denn viele migrantische Gruppen besitzen keine eigenen Räumlichkeiten, sondern treffen sich in Freizeitheimen, Stadtteil- und Kulturzentren.
Kulturelle Angebote (z.B. Veranstaltungen, Kurse) werden von Menschen mit Migrationshintergrund am ehesten dann genutzt, wenn sie direkt und mündlich oder über Multiplikator/innen angesprochen werden. Wichtigste Voraussetzung ist allerdings, dass diese Zielgruppe von den Veranstalter/innen überhaupt in den Blick genommen wird.
Die Erfahrungen mit verschiedenen Projekten im kulturellen Bereich zeigen, dass es wichtig ist, die Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten möglichst im Vorfeld einzubeziehen, sie zu beteiligen und Multiplikatoren der verschiedenen Gruppen anzusprechen. Dies erfordert seitens der Stadtteileinrichtungen die Bereitschaft, sich für neue, migrantische Teilnehmerkreise zu öffnen.
Ziele
Respekt vor kultureller Pluralität wird als wichtiger Bestandteil der Integrationsunterstützung gefördert.
Alle Menschen sollten die Möglichkeiten haben, ihre individuellen Potenziale durch kulturelle Bildung entfalten zu können.
Die verstärkte Einbeziehung von interkulturellen Themen und eingewanderten Künstlerinnen und Künstlern in Programme der klassischen, etablierten Kultureinrichtungen kann Austausch und Integration befördern sowie Barrieren aufheben. Begegnung und Austausch, Partizipation und Beteiligung sollen allerdings nicht nur an zentralen Orten, sondern auch dort stattfinden, wo die Menschen leben – in den Stadtteilen. Insbesondere wenn dabei interkulturell gearbeitet wird, ist darauf zu achten, dass Begegnung und Beteiligung gleichberechtigt erfolgen.
In Stadtteilkultureinrichtungen, Kulturinitiativen und Begegnungsstätten in den Stadtteilen müssen die Interessen und Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten berücksichtigt werden. Hierbei sind Beteiligungsformen zu entwickeln, die Schwellenängste abbauen und Menschen aktivieren.
Gleichzeitig geht es um die interkulturelle Öffnung der im Stadtteil tätigen Einrichtungen und der zentralen Kulturinstitutionen im Sinne einer gemeinsamen gesellschaftlichen Weiterentwicklung.
Handlungsansätze
Interkulturelle Initiativen und Vereinigungen von Migrantinnen und Migranten müssen gefördert und gestärkt werden, um interkulturelle Begegnungen auf Augenhöhe gestalten zu können. Dabei sollte auch ein Kulturaustausch mit den Herkunftsländern der Eingewanderten den Austausch innerhalb der jeweiligen Diaspora ermöglichen und fördern.
Zur Künstlerinnen- und Künstlerförderung (Bildende Kunst, Musik, Theater etc.) werden neben den bekannten Orten (Kubus, Theater etc.) verstärkt auch Auftritts- und Ausstellungsmöglichkeiten in den Stadtteilkultureinrichtungen geboten und damit die schon vorhandene „Sprungbrettfunktion“ der Einrichtungen weiter entwickelt. Bereits bestehende Formen der Zusammenarbeit mit den verschiedenen kulturell aktiven Migrantenselbstorganisationen in den Stadtteilen werden intensiviert.
Um die interkulturelle Öffnung der Stadtteileinrichtungen weiter zu entwickeln und die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen zu verbessern, werden als erster Schritt Fortbildungsveranstaltungen angeboten. Dieses Angebot richtet sich auch an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen und Netzwerken in den Stadtteilen.
Die Partizipation von Migrantinnen und Migranten bezogen auf stadtteilspezifische bzw. stadtweite Projekte und Programme muss auf verschiedenen Ebenen erprobt bzw. weiterentwickelt werden, um die Mitwirkungsmöglichkeiten zu verbessern: bei der Projekt- und Programmplanung der Kultureinrichtungen, beim Aufbau und der Unterstützung von Netzwerken mit Migrantinnen und Migranten im Stadtteil und bei der Entwicklung von Kultur-, Bildungs- und Qualifizierungsangeboten.
Die im Stadtteil Hainholz mit der Musikalisierung eines ganzen Stadtteils durch das Projekt „Musik in Hainholz“ gesammelten Erfahrungen weisen ein hohes Maß an integrativen Aspekten auf und werden als Basis für eine Ausweitung auf den Stadtteil Sahlkamp genutzt.
Die Zusammenarbeit verschiedener Kulturinstitutionen mit Stadtteil- und Jugendeinrichtungen wird intensiviert und ausgebaut, wie z.B. im Rahmen des für 2008 geplanten Projektes „Culture Clash – die Entführung“, einer „Rap-Oper“ nach Motiven von Mozart an der 100 Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund aus Hannover mitwirken werden.
Die Bedeutung des „Masala“-Festes im Kultur- und Kommunikationszentrum Pavillon einschließlich der „Kinder-Karawane“ und des „Masala-Weltmarktes“ wird als Ort der Begegnung und des interkulturellen Austausches sowie als Auftrittsort für lokale und internationale Musiker in Zusammenarbeit mit der Stadt weiter gestärkt.
Die Stadt wird gemeinsam mit den verschiedenen interessierten Migrantenorganisationen, die eigenen Bibliotheken mit mutterspachlichen Buchbeständen betreiben, an einem Konzept arbeiten, inwieweit eine datenmäßige Erfassung der dortigen Buchbestände und eine Einrichtung eines gemeinsamen virtuellen Katalogs realisierbar ist.
Die Landeshauptstadt Hannover strebt längerfristig eine Partnerschaft mit einer vergleichbaren Großstadt in der Türkei an. Über Pilotprojekte in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Kultur, Kunst und Jugendbildung soll sich eine zukünftige Partnerschaft entwickeln.
Die Stadt Hannover realisiert mit Hilfe von Jugendorganisationen eine „Lange Nacht der Kulturen“. Jugendliche und junge Erwachsene können, wie auch in der Langen Nacht der Museen, mit dem „üstrashuttle“ Diskotheken, Freizeitorte und Jugendtreffs besuchen. Erstkontakte können über ortskundige Kontaktlotsen mit und ohne Migrationshintergrund hergestellt werden.
An der Idee des Aufbaus eines „Haus der Kulturen“ als ein Ort für eine interkulturelle Begegnung und partnerschaftliche Zusammenarbeit für Menschen aus aller Welt wird weiter gearbeitet.