Historische Persönlichkeiten
Gottfried Wilhelm Leibniz
Gottfried Wilhelm Leibniz gilt als letzter Universalgelehrter und hatte starken Einfluss auf die nachfolgenden Aufklärer, die klassische deutsche Philosophie, den deutschen Idealismus und die Literatur der Klassik.
Gottfried Wilhelm Leibniz wurde am 21. Juni (nach gregorianischem Kalender am 1. Juli) 1646 in Leipzig als Sohn des Professors der Moral Friedrich Leibniz geboren. Nach dem Besuch der Nicolaischule in Leipzig studierte er an den Universitäten Leipzig und Jena Philosophie und Jurisprudenz. 1667 erwarb er an der Universität Altdorf den juristischen Doktorgrad. Das Angebot, eine Professur zu übernehmen, schlug er aus. Im Bestreben, nicht nur theoretisch zu arbeiten, sondern praktische Wirksamkeit zu entfalten (sein Wahlspruch war: „Theoria cum praxi“), wählte er die Stellung eines fürstlichen Beraters, die im Zeitalter des Absolutismus am ehesten die Möglichkeit politischer Einflussnahme bot. Er trat zunächst in den Dienst des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn. 1672 gelangte er in diplomatischer Mission nach Paris, wo er vier prägende Jahre verbrachte; erst hier konnte er die Grenzen der zeitgenössischen deutschen Universitätsausbildung überschreiten und den neuesten Stand der Wissenschaften kennen lernen.
Welfengeschichte und Wissenschaft
1673 stellte er der Royal Society ein Modell seiner Rechenmaschine vor, der ersten mit mechanischen Vorrichtungen nicht nur für Addition und Subtraktion, sondern auch für Multiplikation und Division. In den folgenden Jahren entwickelte er in Paris die Differential- und Integralrechnung. Aus finanziellen Gründen verließ er 1676 Paris und wurde Hofrat und Bibliothekar des Herzogs Johann Friedrich in Hannover. Den Kontakt mit der gelehrten Welt hielt er durch eine umfangreiche Korrespondenz (1.100 Briefpartner) aufrecht. In den Jahren 1680 bis 1685 versuchte Leibniz durch Windmühlen die Harzer Bergwerke zu entwässern und damit die für das Herzogtum wichtige Silberförderung zu stabilisieren. Er reiste rund dreißigmal in den Harz und hielt sich dort insgesamt rund drei Jahre auf, scheiterte schließlich doch an technischen Problemen und dem Widerstand der traditionsverhafteten Bergleute. Ab 1685 arbeitete er in fürstlichem Auftrag an einer Geschichte des Welfenhauses, das in seinem Streben nach Rangerhöhung (1692 Verleihung der Kurwürde an Hannover) die eigene Bedeutung historiographisch untermauert sehen wollte. Leibniz' umfangreiche Untersuchungen, die ihn von 1687 bis 1690 auf eine Forschungsreise in die Archive Süddeutschlands, Österreichs und Italiens führten und den Nachweis der oberitalienischen Abstammung der Welfen erbrachten, unterstützten darüber hinaus im Zeitalter dynastischer Erbfolgeregelungen juristisch die politischen Ansprüche des Welfenhauses auf Erweiterung seines Herrschaftsgebietes. Als Vorspann zur Welfengeschichte verfasste Leibniz eine Naturgeschichte der Erde unter besonderer Berücksichtigung von geologischen Funden aus dem Harz.
Fremde Kulturen
1686 entwickelte Leibniz seine auf der Erhaltung der Kraft (in moderner Terminologie: Energie) gegründete Dynamik als Lehre von den physikalischen Kräften. Ebenfalls 1686 verfasste er den „Discours de Metaphysique“ (Metaphysische Abhandlung), die erste systematische Zusammenfassung seiner reifen Philosophie. Über lange Jahre hinweg führte Leibniz Verhandlungen mit katholischen Bischöfen mit dem Ziel, die protestantische und die katholische Kirche zu vereinigen. Sein Interesse für fremde Kulturen veranlasste ihn zu einer umfangreichen Korrespondenz mit Jesuitenmissionaren in China.
Französisch, Lateinisch, Deutsch
Im Zusammenhang mit seinen historischen Studien führte Leibniz umfangreiche sprachwissenschaftliche Forschungen durch, die u.a. in den „Collectanea etymologica“ veröffentlicht wurden. In Deutschland war am Hof die französische, unter den Gelehrten die lateinische Sprache üblich; entsprechend schrieb Leibniz seine philosophischen und wissenschaftlichen Arbeiten fast vollständig in diesen Sprachen. Er verfasste aber auch die „Ermahnung an die Teutschen, ihren Verstand und ihre Sprache besser zu üben“, in der er zum Gebrauch der deutschen Sprache aufforderte.
Berühmte Gelehrte
In den neunziger Jahren zog eine Folge von mathematischen Wettstreiten die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich. Leibniz, Jakob Bernoulli, Vincenzo Viviani, Johann Bernoulli u.a. stellten berühmt gewordene Preisfragen, um an ihnen die Überlegenheit ihrer mathematischen Methoden nachzuweisen.
Binäres Zahlensystem
In einer Abhandlung für die Académie des Sciences in Paris legte Leibniz das nur auf 0 und 1 basierende binäre Zahlensystem dar; er war auch der Erste, der eine auf dem binären Zahlensystem beruhende Rechenmaschine konzipierte (wenngleich sie nicht realisiert wurde).
Im Jahre 1700 wurde er der erste Präsident der auf seinen Vorschlag gegründeten Berliner Akademie der Wissenschaften. Aus den philosophischen Gesprächen, die er während seiner Besuche in Berlin mit der preußischen Königin Sophie Charlotte führte, entstand die „Theodicée“ (1710 veröffentlicht), in der Leibniz eine Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels und der Leiden in der Welt versucht. In der Auseinandersetzung mit dem englischen Philosophen John Locke verfasste Leibniz die „Nouveaux Essais sur l'entendement humain“ (Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand), die jedoch erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod im Druck erschienen. Seine letzten Lebensjahre wurden vom Prioritätsstreit mit Isaac Newton um die Erfindung der Differential- und Integralrechnung überschattet. Leibniz starb am 14. November 1716 in Hannover; sein Grab befindet sich in der Neustädter Kirche. Sein umfangreicher wissenschaftlicher Nachlass, der von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover aufbewahrt wird, ist noch immer nicht vollständig veröffentlicht.
(Quelle: Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Hannover)
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