Es ist davon auszugehen, dass lesbische, schwule, bisexuelle oder transsexuelle Menschen mit Migrationshintergrund auch in Hannover isolierter leben als solche ohne Migrationshintergrund. Ein Grund hierfür ist, dass Migration generell familiäre Bindungen stärkt und zudem Migration häufig im Familenverband erfolgt. In der Regel sind Migrant/innen im fremden Land verstärkt aufeinander angewiesen. Die Familie in der Migrationssituation bedeutet auch Zugang zu kultureller Identität, sozialem Zusammenhang und in der Regel ökonomische Absicherung. Obendrein herrscht vielfach ein Erwartungsdruck in Bezug auf traditionelle heterosexuelle Lebensmodelle, insbesondere auf Heirat und Nachwuchs.
Eine derartige Lebenssituation erschwert das Bekenntnis zu einer homosexuellen Orientierung. Nicht selten stehen so einem Coming Out tradierte Rollenmuster oder auch gegebenenfalls religiöse Grundeinstellungen und Werte der jeweiligen Migrationsgruppe entgegen.
Empirische Studien und Erfahrungen aus der Beratungsarbeit bei schwulen und lesbischen, bisexuellen oder transsexuellen Menschen mit Migrationshintergrund belegen, dass es für diese Gruppen schwer ist, zu einem offenen Umgang mit der eigenen sexuellen Identität zu gelangen. Dies kann auch die familiäre Situation belasten, wenn Eltern oder Geschwister eine homosexuelle oder andere Orientierung als „Schande“ erleben. Auf diese Weise treffen Diskriminierungstendenzen gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen oder Transsexuellen Menschen mit abweichender sexueller Identität und migrantischer Herkunft doppelt.
Ziele
Mitarbeiter/innen in den vorhandenen Beratungsangeboten und weiteren in diesem Zusammenhang relevanten Bereichen der Stadt- und Regionsverwaltung sollen ihre Beratungskompetenz bezüglich der besondere Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder transsexuellen Eingewanderten dem Bedarf anpassen.
In der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die zu einem hohen Anteil junge Menschen mit Migrationshintergrund erreicht, aber auch bei interkulturellen Angebote für Erwachsene der Landeshauptstadt Hannover sollen – neben traditionellen Familien- und Rollenmustern – auch andere Lebensentwürfe oder sexuelle Identitäten berücksichtigt und als gleichberechtigt dargestellt werden.
Handlungsansätze
In den relevanten Beratungsstellen in Hannover wie dem Infoladen „Knackpunkt“ und der „Beratungsstelle Osterstraße“ sollen vermehrt interkulturelle Angebote entwickelt werden.
Bei der Konzeption von interkulturellen Angeboten in der städtischen Jugendarbeit, Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit werden die städtische Ansprechpartnerin für Lesben und der Ansprechpartner für Schwule stärker einbezogen.
Im Rahmen der Kriminalpräventionsarbeit werden Gewaltstraftaten und Diskriminierung gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und transsexuellen Menschen berücksichtigt.